■ Ökolumne
: Schmarotzer raus aus dem Wald! Von Nicola Liebert

Endlich haben wir sie, die Schuldigen am Waldsterben. Die Bäume gehen an den steigenden „gesellschaftlichen Ansprüchen an den Wald“ zugrunde. Jedenfalls ist offenbar diese dreiste Anspruchshaltung eines der gravierenden Probleme, vor denen die Waldbesitzer in der Bundesrepublik stehen – meint ein Gremium, das es ja wissen muß, nämlich der „Gemeinsame Forstausschuß der Kommunalen Spitzenverbände“. Und schlägt auch gleich die Lösung des Problems vor: eine Eintrittsgebühr für den Wald.

Erfreulicherweise leben wir in einem demokratischen Gemeinwesen, das nicht nur den Zugang zu den Wäldern demokratisiert hat, sondern das auch das Verursacherprinzip kennt. Halten wir uns also an die übermäßig anspruchsvolle Gesellschaft in Form der Waldspaziergänger als Verursa-Nicola Liebert

cher des Waldsterbens. Das Vergnügen, einen Wald zu sehen, solange es Wälder noch gibt, sollten Sie sich ruhig etwas kosten lassen. Andere Relikte verflossener Epochen – Schlösser, alte Vasen, Dinosaurierknochen – kriegen Sie doch auch nicht umsonst zu sehen.

Aber nicht nur die Gesellschaft stellt Ansprüche an den Wald. So ein Wald ist seinerseits auch ziemlich anspruchsvoll. Da wachsen die Bäume nicht einfach so. Eigentlich gab es bekanntlich gar keine rechten Wälder, bevor wir sie nicht anständig bewirtschaftet haben – und das kostet natürlich. Meint jedenfalls besagtes Gremium, das es wissen muß: „Da den Kommunen die erforderlichen finanziellen Mittel für die notwendigen Waldbewirtschaftungsmaßnahmen fehlen, sind die Wälder in ihrer Existenz bedroht.“

Wir dachten fälschlicherweise immer, saurer Regen bedrohe den Wald. Aber jetzt wissen wir es besser: Daß es kein Geld regnet, ist das eigentliche Problem. Mit Geld dagegen läßt sich jedes Problem beheben. Das ist Marktwirtschaft.

Wohlgemerkt, wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft. Damit die sozial Schwachen nicht übermäßig belastet werden, kostet die Anfahrt mit dem Auto vom Vorstadt-Reihenhäuschen zum Parkplatz am Ausflugsziel selbstverständlich keine zusätzliche Gebühr, und auch parken dürfen Sie umsonst. Zu Fuß durch einen Wald zu spazieren ist dagegen ohnehin volkswirtschaftlich gesehen nicht förderungswürdig. Weder wird dadurch das Bruttosozialprodukt gemehrt, noch werden Arbeitsplätze geschaffen. Da ist es doch nur recht und billig, wenn dem Schmarotzertum am deutschen Wald ein Ende gesetzt wird, wenn die Fußgänger wenigstens den Forstbesitzern – ob privat oder kommunal – ein Auskommen verschaffen.

Volkswirtschaftlich gäbe es durch ein System von Eintrittsgebühren für den Wald nur Gewinner. Die Forstbesitzer gewinnen: zum einen die Eintrittsgelder, zum andern können sie mit dem eingenommenen Geld um so besser in Aufforstungsmaßnahmen investieren, und durch die Aufforstung der Wälder gewinnen wiederum wir alle. So häßlich sind Fichtenmonokulturen doch auch gar nicht, jedenfalls immer noch besser als gar kein Wald, oder? Die Papierindustrie gewinnt: Von ihr wird nun keiner mehr verlangen, sie solle teures heimisches Holz aus nachhaltiger Nutzung verwenden, denn die Forstbesitzer sind jetzt ja dank der neuen Einnahmequelle nicht mehr gezwungen, ihr Holz zu veräußern. Somit können die Papiermühlen mit billigem Importholz, etwa aus kanadischem Kahlschlag, international konkurrenzfähig produzieren. Auch die Chemieindustrie gewinnt, denn jetzt sind ausreichende Mittel vorhanden, jedes Schwammspinnerräupchen einzeln mit ganzen Hubschrauberladungen von Gift zu liquidieren – die Natur wird es uns danken.

Die Automatenindustrie gewinnt durch den Verkauf von Ticketautomaten für die Waldeintrittskarten. Und schließlich gewinnt auch die Bundesregierung, weil sie mit niedrigeren Arbeitslosenzahlen aufwarten kann: Ein ganzer neuer Berufsstand von Waldeintrittskartenlochern wird entstehen. Und – für den Wirtschaftsstandort Deutschland das Wichtigste schlechthin – die Autoindustrie gewinnt. Denn ohne die Waldeintrittsgelder könnten doch grüne Spinner, vereint mit Forstbesitzern, auf die Idee kommen, höhere Steuern auf Benzin zu fordern.