„Kritische Pfarrer wurden aussortiert“

■ Vertragsentwurf für die Reform der Militärseelsorge in Berlin vorgestellt

Berlin (taz) – Einen Vertragsentwurf zur Neuregelung der Militärseelsorge hat gestern der evangelische Dietrich-Bonhoeffer-Verein in Berlin vorgelegt. Der Neuentwurf, der den bestehenden Militärseelsorgevertrag von 1957 ablösen soll, sieht vor, den Status der Militärpfarrer als Bundesbeamte aufzuheben. Auch soll das Kirchenamt für die Bundeswehr nicht dem Bundesverteidigungsministerium unterstellt bleiben, sondern der Kirchenzentrale zugeordnet werden. Die Militärpfarrer sollen laut dem neuen Modell, das von dem früheren Verfassungsrichter Helmut Simon miterarbeitet wurde, „in einem kirchlichen Dienst- und Besoldungsverhältnis stehen“. Damit solle eine stärkere Einbindung der Militärseelsorger in die gesamtkirchliche Diskussion ermöglicht werden, so Karl Martin, Vorsitzender des Bonhoeffer- Vereins, der sich der „Förderung christlicher Verantwortung“ in der Bundeswehr verschrieben hat.

Die Militärseelsorge sei bislang „weitgehend konform mit der Sicherheitspolitik der Bundesregierung und angepaßt an das Militärische“ verlaufen. Sie sei „ins Abseits geraten“, weil ethische Konflikte der Soldaten verschwiegen und kritische Militärpfarrer „aussortiert“ worden seien.

Um die Militärseelsorge ist seit 1990 in der evangelischen Kirche heftiger Streit entbrannt. Da es in der DDR keine Militärseelsorger gab, wollten die östlichen Kirchengliederungen mit ihren pazifistischen Traditionen nicht, daß der Vertrag von 1957 für sie wirksam wird.

Mit dem Vertragsentwurf will der Bonhoeffer-Verein die Diskussion in der evangelischen Kirche befördern, deren Synode im November über eine Reform der Militärseelsorge entscheiden wird. Bei den Vorentscheidungen der Landeskirchen zeichnet sich dabei eine Mehrheit für das weitreichende „Modell B“ ab, das die Militärpfarrer wieder der Kirche unterstellt. Bislang hat nur eine Landeskirche für eine Reform im Rahmen des bestehenden Vertrages von 1957 votiert („Modell A“).

Wie konservativ das „Korps“ der rund 130 evangelischen Militärpfarrer selbst ist, beweist dessen Personalrat. Er spricht sich kategorisch gegen jede Reform der Militärseelsorge aus. kotte