Multikulti am Rothenbaum

■ Tennis-German-Open: A. Medwedew gewinnt Finale gegen J. Kafelnikow

Leimen und Elmshorn haben am Rothenbaum verspielt. Brasilianisch war gestern der Schiedsrichter, der Hauptsponsor japanisch und die Finalisten des German Open stammen aus Rußland und der Ukraine.

Mehr als nur ein Hauch von Multikulturalität alá „We are the world“ also an der Hallerstraße? Leider nicht. Der internationale Flair scheint der Attraktivität des Hamburger Turniers abträglich zu sein. „Keine Promis heute“, verkündet die Dame hinter dem Presse-Counter einem verzweifelten Klatschreporter. Auch die Entwicklung der Schwarzmarktpreise fällt inflationär. Das Dreierpack Tickets für das Match zwischen Jewgeny Kafelnikow und Andrej Medwedew wechselt für einen Braunen die Hände - statt offiziell für 450 Mark.

Der 20jährige Jewgeny Kafelnikow (29. der Weltrangliste) und der sechs Monate jüngere Andrej Medwedew (Nummer 9) werden von den Anwesenden 9000 - der Center-Court faßt in ausverkauftem Zustand 10500 Fans - bevorzugt über ihre inländischen Beziehungen definiert. Kafelnikow, das ist der viermalige Stich-Bezwinger und Medwedew, „das ist doch der Freund von der Anke“, legen die Anwesenden einen getuschelten Zahnbelag über die Anlage. Die Spieler indes scheint das Abgeschnittensein von den Fan-Herzen, viele betonen nur des guten Tennis wegen hier zu sein, nicht zu erregen. Kafelnikow und Medwedew beziehen sich ganz aufeinander. Der Mann aus Fochi und der in Kiew geborene bereiteten sich am Morgen im gemeinsamen Trainingsspiel auf das Finale vor und lassen keine Gelegenheit aus, zu betonen, daß sie gute Freunde seien. Dies macht die hanseatische Tennisgemeinde mißtrauisch. Einige vermuten gar, hinter dem überaus gleichmäßig dahinplätschernden Spiel stecke Konzept. Wollen die sich etwa nicht anstrengen? Der erste Punkt am Netz nach 22 Minuten. Der erste Smash gar erst nach einer Stunde. Da bleibt viel Luft zum Nachdenken: „Und wenn die das Geld für den ersten (245.000 Dollar) und das für den zweiten Platz (129.000 Dollar) einfach zusammenschmeißen und hinterher teilen?“, vermutet eine Zuschauerin Betrug hinter dem unendlichen plopp plopp von Grundlinie zu Grundlinie. Ja, bei Boris und Michael da wußte man wenigstens woran man war, die schienen immer echte Feinde zu sein.

Nach zwei Stunden und 28 Minuten haben Spieler und ZuschauerInnen trotz der aufkeimenden Zweifel doch einen gemeinsamen Grund zur Freude, denn das Finale ist vorbei. Andrej Medwedew errang insgesamt in vier Sätzen fünf Punkte mehr als sein Freund und darf sich Sieger nennen (6:4, 6:4, 3:6 und 6:3). Claudia Thomsen