Lemwerder: Wir können anders

■ DASA-Rüstungsbetrieb von Schließung bedroht: Ein Besuch am 200sten Kampftag

Die FlugzeugbauerInnen aus Lemwerder haben's langsam satt: Solidaritätskundgebungen konnten sie einheimsen, noch und nöcher, desgleichen allererlei Zusagen von PolitikerInnen, daß man „Gespräche“ führe – aber was hat sich getan? Nüscht, findet die 1.200-köpfige Belegschaft. Seit jenem Tag im Oktober, an dem der Betriebsrat des Flugzeugwartungswerkes in knappen fünfzehn Minuten über die Schließung des Werkes informiert wurde, sind 200 Tage vergangen. 200 Tage, in denen die Belegschaft in Bonn und Bremen demonstrierte, Tausende von Flugblättern abwarf, ein Gespräch nach dem anderen mit PolitikerInnen aller Grade und aller Couleur führte ...

Trotzdem sind die Chefs der Deutschen Aerospace AG in München (Dasa) keinen Schritt abgewichen vom Schließungsbeschluß. Ab August sollen in Lemwerder keine zivilen Flugzeuge mehr gewartet werden – daran hängen etwa 500 Arbeitsplätze. 1995 droht das engültige Aus – dann sollen der Umbau von Passagiermaschinen in Frachter und die lukrative Wartung des Bundeswehrflugzeuges „Transall“ in andere Werke des Dasa-Konzerns verlegt werden. Am Wochenende nun feierte die Belegschaft mit ihren Familien ihren 200. Kampftag.

Und sie machten erstmals ganz deutlich: So friedfertig wie bisher wird ihr Protest in Zukunft nicht mehr aussehen, wenn die Konzernspitze nicht endlich verhandele. Einen Vorgeschmack gaben die FlugzeugbauerInnen mit einer kurzzeitigen Blockade des Dasa-Werks in Nordenham. Dort nämlich produziert der Daimler-Konzern, zu dem die Dasa gehört, die Schalenteile des Airbusses. Die sind sehr groß und müssen in Spezialtransportern übers Land gefahren werden. Unter anderem über eine Brücke. ... „Es nützt ja nichts, unser Werk in Lemwerder zu besetzen, wenn da gar kein Flugzeug mehr steht. Dann passiert dasselbe wie in Bischofferode, dann verhungern wir nur“, sagt Hans-Joachim Beckmann, Betriebsrat und Bürgermeister von Lemwerder.

Fast täglich können die Betriebsräte Prominente begrüßen, SPD-Chef Rudolf Scharping zum Beispiel oder Catch-Weltmeister Otto Wanz. Am Samstag nun setzten sich Bremer Prominente aus Politik und Betrieben mit ihren niedersächsischen Pendants zur öffentlichen Diskussion zusammen.

Detmar Leo, SPD-Bürger-schaftsabgeordneter aus Vegesack, erzählte von der Betroffenheit auch der Vegesacker: Jeder wisse dort, daß mit der Schließung Lemwerders ein Stein herausgebrochen werde und die Region zu sterben beginne. Peter Kudella, Fraktionsvorsitzender der Bremer CDU, wurde gleich hart angegangen: „Treten Sie dem Rühe doch mal in den Hintern, damit der die Transall-Wartung hier laufen läßt“, forderte ihn Moderator Achim Kinzel unter dem Jubel der Belegschaft auf. Kudella grinste gemütlich und meinte dann, daß man durchaus versuche, Einfluß zu nehmen, „Kontakte“ plane. Aber die Herren in der Chefetage müßten sich halt auch ein bißchen bewegen, und solche Herren seien manchmal doch recht arrogant gegenüber selbst hochrangigen PolitikerInnen. Aber wenn Niedersachsen CDU-regiert wäre, warf der Betriebsratsvorsitzende des Bremer Mercedes-Werks ein, Udo Richter, dann hätte sich die Bundesregierung sicher anders ins Zeug geworfen.

Auch die Bremer Arbeitssenatorin Sabine Uhl sah besonders die Bundesregierung in der Pflicht. Aus dem Verfassungsgerichts-Entscheidung zugunsten Bremens könne man sehr wohl auch die Pflicht zur Standortentscheidung zugunsten dieser benachteiligten Region ableiten. Der Bremer Senat selbst mache seinen Einfluß im Bundesrat geltend, sei allerdings nur Partner und nicht vorrangig Geforderter.

Tips zum Arbeitskampf gab Peter Sörgel, Betriebsratsvorsitzender der Bremer Hütte. Unbedingt müsse man den Vorstand in die Front der Belegschaft gegen die Konzernspitze einbinden. Im Fall Klöckner hatte das geklappt. Im Fall Lemwerder allerdings, sagt Betriebsrat Beckmann, seien die Vorstandsmitglieder geschickt nach oben befördert oder ganz rausgeschoben worden. cis