„...und die Taschen voller Geld“

Hamburg (taz) – Immer wieder der Blick auf die Anzeigetafel des Hamburger Volksparkstadions. Das HSV-Logo erscheint und die vom Zentralorgan der Denkfaulenszene präsentierten Zwischenstände der Fußballbundesliga flimmern auf dem schwarzen Untergrund. 0:0 in München. Immer noch hat der 1. FC Kaiserslautern zumindest die theoretische Chance, deutscher Meister 1994 zu werden. Wenn sie nämlich bei einem Unentschieden der Bayern mit mindestens vier Toren Differenz in Hamburg gewinnen.

Die in den sonstigen Bundesligabegegnungen des Hamburger SV normalerweise nur spärlich gefüllte Ostkurve ist von rotgekleidetem Pfälzer Anhang überflutet (etwa 19.000), der sogleich den recht einfallslosen Blau-Weiß- Schwarzen eine Lehrstunde in Fanfolklore erteilt. Schals schwirren Rotorblättern gleich über den Köpfen, eine Fanfare kündigt den unsäglichen Attacke-Ruf an und immer wieder wird der Meisterschaftstraum intoniert.

Es ist 15.50 Uhr, vor zwei Minuten ist der 1.FCK durch Pavel Kuka mit 1:0 in Führung gegangen und hat die HSV-Fans in einen ernsthaften Gewissenskonflikt gebracht. Einerseits wäre es so schön, wenn es der 1.FC Kaiserslautern schaffen würde, den doch ziemlich verhaßten Münchner Bayern die Meisterschaft zu versauen. Anderseits: Wer sieht seine Anbetungsobjekte gerne verlieren? Deshalb nur verhaltener Jubel beim Führungstor der roten Teufel in der HSV-Kurve. Frenetischer der Beifall dann, als Valdas Ivanauskas in der 35. Minute durch die Lauterer Abwehr stampft und das 1:1 markiert.

Ein Pfostenschuß von Karsten Bäron folgt. Der HSV gestaltet auf einmal das Spiel. 16.35 Uhr. Das 1:0 der Bayern wird via Anzeigetafel verkündet. Einträchtig bedenken HSV- und die 1.FCK-Fans die Münchner mit skatologischen Ausdrücken. Auf dem Spielfeld dominiert weiterhin der HSV. 16:45, 2:0 in München. Immer noch bestimmt der HSV das Geschehen. Keine Chance mehr für Lautern.

Erst in der 90. Minute fühlten sich dann die Pfälzer bemüßigt, zuerst das 2:1 durch Martin Wagner zu erzielen, um dann den 3:1-Endstand durch Stefan Kuntz folgen zu lassen. Vizemeister.

„Herzlichen Glückwunsch nach Bayern zum sensiblen Franz und allen seinen Mitarbeitern. Ich gratuliere auch seinem Vorgänger Erich Ribbeck, der ihm eine wunderbare Mannschaft hinterlassen hat. Der Franz ist nun mal ein Glücksjunge“, verlautbart FCK- Trainer Friedel Rausch auf der Pressekonferenz, während seine Eleven in einem etwa halbstündigen Apres-Match-Gesang von den Pfälzer Fans als Vizemeister gefeiert werden. Martin Wagner ist ob des Jubels vollkommen aus dem Häuschen: „Bei dieser Begeisterung fühlen wir uns wie ein Meister“, diktiert er in die Blocks der Journaille.

Von einem seiner Mitarbeiter muß sich Friedel Rausch wohl zum Saisonende verabschieden müssen. Ciriaco Sforza will zu Lazio Rom wechseln. Ein Transfer, der den Pfälzern etwa 12 Millionen Mark bescheren dürfte. Ausreichend Geld, um auch einmal groß einkaufen gehen zu dürfen, hat Rausch aber wohl schon durch die UEFA- Cup-Qualifikation zur Verfügung. Er liebäugelt mit der Verpflichtung des Frankfurter Maurizio Gaudino. Denn, so Rausch: „Im nächsten Jahr möchte ich mit Kaiserslautern Meister werden.“ Aber auf diesen Titel spekulieren wiederum die Bayern. Und die dürften noch mehr einkaufen.Kai Rehländer