Unter dem Schutz einer starken Armee

■ In Meißen gelobten 480 Rekruten feierlich unter Pfiffen

Meißen (taz) – Nach dem feierlichen Teil seiner Ansprache wurde Rühe direkt: „Wenn Sie nur zehn Prozent soviel Mut gehabt hätten, als noch Mut dazugehörte“, schoß er die Bundeswehrgegner auf dem Marktplatz an. „Eine Unverschämtheit“, fauchte Heidi Bohley vom Hallenser Neuen Forum zurück, „wenn wir nicht gewesen wären, dann wären Sie heute nicht hier.“

Der Bundesverteidigungsminister war nach Meißen gekommen, um auf dem historischen Marktplatz der tausendjährigen Stadt an der Elbe 480 Rekruten der sächsischen Heimatschutzbrigade 37 „feierlich“ in die Pflicht zu nehmen.

Gemeinsam mit dem aus der DDR-Friedensbewegung hervorgegangenen Meißner Friedensseminar protestierten Kriegsdienstverweigerer aus Meißen und Dresden, Abgeordnete der Bündnisgrünen und die Friedensgruppe „Timor und kein Trupp“ gegen das militärische Zeremoniell.

„Timor und kein Trupp“ war im vergangenen Jahr mit einer spektakulären Aktion an die Öffentlichkeit getreten: Im Hafen von Peenemünde besetzte die Gruppe 39 Kriegsschiffe, die an die indonesische Militärdiktatur verkauft werden sollten. Der Waffendeal konnte verzögert, aber nicht verhindert werden. Das juristische Nachspiel für die BesetzerInnen dauert noch an. Rühe hatte wegen eines Plakates, das ihn der „Beihilfe zum Völkermord“ bezichtigte, Anzeige erstattet.

Rühes Meißner Ansprache ging im Glockengeläut der Frauenkirche und einem Pfeifkonzert unter. Einen ungeheuerlichen Zynismus überhörten so die meisten. „Wenn wir an Bosnien denken“, rief Rühe den Rekruten zu, „dann wissen wir, was mit Menschen geschehen kann, die nicht unter dem Schutz einer starken Armee, unter dem Schutz der Nato stehen.“

Während sich der Minister, betont locker, von glücklichen Müttern mit Rekruten fotografieren ließ, schwebte über dem Platz einsam und schräg ein Trompetenton. Zur Nationalhymne kläfften die Hunde. Und aus einem Übertragungswagen bellten wilde Befehle, bis die Jungs von der Truppe gar nicht mehr wußten, auf welchen Herrn sie hören sollten.

In der sächsischen Landeshauptstadt hatte der Bundesverteidigungsminister zuvor das Gelände für das „wichtigste Bauvorhaben der Bundeswehr“ besichtigt. 1998 soll in bester Dresdner Wohnlage die Offiziersschule der Bundeswehr für 1.200 Offiziersanwärter eröffnet werden. 280 Millionen Mark will die Bundeswehr dafür investieren.

Detlef Krell