Interview
: Alternatives Sparen im Jugendbereich: Zwei Fliegen mit einer Klappe

■ Die Sozialpolitikerin Maria Spieker (Grüne) hat fürs Sparen im Jugend- und Sozialbereich ihre eigenen Vorstellungen

Die sogenannte „Giftliste“ des Senators für Jugend ist lang und grausam: Rund 15 Millionen Mark sollen dieses und nächstes Jahr eingespart werden, zum Beispiel bei Ferienfahrten, beim Kinderschutz, bei der Spielplatzpflege ... Wir sprachen mit Maria Spieker, Abgeordnete der Grünen und Mitglied der Deputation für Jugendhilfe.

Sparen bei den Spielplätzen und beim Kinderschutz – sind diese Vorschläge wirklich ernst gemeint?

Maria Spieker: Ich glaube schon. Wir müssen uns darüber klar sein, daß wir das, was wir in den siebziger Jahren im Bereich Bildung und Jugend undsoweiter an Prosperität hatten, daß das ein ganzes Stück gekürzt werden muß. Daß wir nicht mehr so auf staatliche Leistungen überall setzen können wie bisher.

Aber daß auf den Spielplätzen die Hundehaufen weggeräumt werden, das hat es doch immer gegeben.

Klar. Da muß man kucken bei den einzelnen Sachen, ob das wirklich angesagt ist. Aber man muß eigentlich genereller überlegen, ob wir uns jetzt den Kopf darüber zerbrechen sollen, ob Kinderspielplätze nicht mehr sauber gemacht werden können oder ob es nicht mehr möglich ist, Kinder aus sozial schwachen Familien in Sommerlager zu schicken. Wir müssen an diese Spardebatte anders rangehen.

Gäbe es denn alternative Einsparmöglichkeiten, wo man mit einem Happs sehr viel rausbekäme? Man hört zum Beispiel, daß im Mädchenhaus Pflegesätze von 300 Mark gezahlt werden.

Es geht da nicht um das Mädchenhaus speziell, es werdem ganz viele Institutionen für Kinder und Jugendliche über Pflegesätze finanziert. Zum Beispiel die Hans-Wendt-Stiftung kriegt Pflegesätze, auch für behinderte Kinder, auch die schwer Erziehbaren werden über Pflegesätze finanziert. Da überlegt man, insgesamt die Pflegesätze zu deckeln. Es geht aber ausdrücklich nicht speziell um das Mädchenhaus. Sicher, die haben den höchsten Pflegesatz in Bremen – das liegt an dem besonderen Betreuungsbedarf dieser Mädchen: Die Mädchen sind oft stark suizidgefährdet. Und es kommen zum Beispiel nachts verstärkt Ängste und Alpträume hoch, da ist dann auch nur eine Person da für fünf, sechs Mädchen – trotz dieses hohen Pflegesatzes

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Also kann man da doch gar nicht sparen.

Da muß man kucken, es werden ja nicht nur Stellen finanziert über den Pflegesatz, sondern die Miete, die Ausstattung ... Es gibt außerdem die Diskussion, im Bereich der Erziehungshilfen zu sparen. Das sind Ersparnisse, die sich in den nächsten Jahren zeigen würden – und das macht auch die Schwierigkeit der Diskussion mit dem Finanzsenator aus.

Was sind Erziehungshilfen?

Da gehört die Fremdplazierung von Jugendlichen rein, daß die stationär untergebracht werden. Diese Unterbringung außerhalb der Familien kostet Bremen im Jahr 42 Millionen Mark. In den Heimen sind 620 Jugendliche, davon 200 außerhalb von Bremen in geschlossenen Heimen, weil wir hier ja in den letzten zwei Jahrzehnten Heime geschlossen haben. Das kostet dann zum Teil noch mehr Geld, weil man da nicht über die Pflegesätze verhandeln kann.

42 Millionen – das ist eine enorme Summe. Und außerdem ist es inhaltlich nicht richtig. Man müßte in die Prävention mehr stecken und dann in die ambulante Pflege, also die vor Ort, und dann in die teilstationäre. Prävention heißt für mich, daß man eben gerade im Bereich der Lager und Fahrten, wo man mit anderen was erlebt, sich aufgehoben fühlt, daß man gerade bei diesen Angeboten nicht kürzen darf. Und daß man, was die ambulante Hilfe angeht, das Familienhelferprogramm nicht kürzen darf.

Wieviel kann man über diesen Weg sparen, insgesamt müssen ja 15 Millionen erbracht werden.

Angepeilt sind sieben Millionen. Nehmen wir mal an, hundert Jugendliche müssen nicht ins Heim, sondern werden zuhause betreut oder in Wohngemeinschaften, dann sind das sechs Millionen Mark. Das schafft man natürlich nicht in einem Jahr. Aber vielleicht über zwei Jahre, wenn man gleichzeitig andere Programme aufstockt. Leider ist es manchmal so, daß nur dadurch, daß man gezwungen ist zum Sparen, inhaltliche Diskussionen wieder in Gang kommen. Man schlägt also zwei Fliegen mit einer Klappe. Wenn wir uns stärker auf diese Sparvorschläge konzentrieren, dann müßten wir im Großen und Ganzen diese Giftliste nicht realisieren. Es wird immer noch Kürzungen in einzelnen Bereichen geben, aber ich glaube nicht dieses Horrorszenario.

Fragen: Christine Holch