ÖTV droht Heckelmann mit Streik

■ Verhandlungen für Ostbeschäftigte im öffentlichen Dienst ohne Ergebnis / Innensenator will Vorschlag der ÖTV prüfen

Das Gepräch zwischen Innensenator Dieter Heckelmann und Vertretern der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) dauerte nur 70 Minuten, dann verkündeten die beiden Kontrahenten gestern ihre allerliebste Standardformel: „Kein Ergebnis“. Nach dem dritten mißlungenen Treffen der letzten Wochen riß dem Gewerkschaftsvorsitzenden Kurt Lange der Geduldsfaden. Flugs stellte er dem CDU-Innensenator ein Ultimatum: Sollte bis zum 25. Mai kein „einigungsfähiges Angebot“ auf dem Tisch liegen, wolle die Gewerkschaft ihre Mitglieder zur Urabstimmung über einen möglichen Streik aufrufen.

Für die rund 110.000 Ostbeschäftigten im öffentlichen Dienst fordert die Gewerkschaft eine Arbeitszeitreduzierung von 40 auf 38,5 Stunden bei vollem Nettolohnausgleich. Zwar spielt bei den derzeitigen Verhandlungen die Angleichung der Ostgehälter auf 100 Prozent des Westtarifs formell keine Rolle. Dennoch hat Innensenator Heckelmann darüber bereits Sondierungsgespräche mit dem Bundesinnenminister, der Tarifgemeinschaft der Länder (TDL) und dem Verband Kommunaler Arbeitgeber (VKA) geführt. Bislang ohne nennenswertes Ergebnis. Schuld sei, so ÖTV-Chef Lange, der Innensenator, der die politischen Versprechungen des Senats nicht umsetzen wolle.

Dagegen beteuerte Heckelmann gestern, der Senat wolle sich bis zum Ende der Legislaturperiode 1995 für eine Angleichung der Ostlöhne einsetzen.

Zugleich versprach er, einen Vorschlag der ÖTV zu prüfen, nach dem ein regionaler Tarifvertrag über Ausgleichszulagen der Monatsvergütungen und -löhne die Angleichung herstellen könnte. Nach den Vorstellungen der ÖTV könnten so ab Anfang 1995 dann 18 Prozent auf 82 Prozent Ostgehalt zugezahlt und damit das Westniveau erreicht werden. In den Augen von Lange hätte ein regional begrenztes Abkommen den Vorteil, daß es weder gegen bundesweite Tarifbestimmungen noch gegen die Richtlinien der TDL und VKA verstößt. Als Vorbild dient der ÖTV die Stadt München, wo Beschäftigte für die hohen Lebenshaltungskosten Zuschläge erhalten. Demgegenüber meinte Heckelmann, die Münchener Lösung sei damals nicht gegen den Willen von TDL und VKA durchgesetzt, sondern von diesen „hingenommen worden“. Heute würde Berlin hingegen mit einem regionalen Tarifvertrag den Widerstand der Länder und kommunalen Verbände herausfordern.

Bislang war der CDU/SPD-Senat, der wiederholt seinen Willen zu einer schnellen Angleichung der Ostlöhne an das Westniveau bekundet hat, bei den Verhandlungen mit der TDL und VKA keinen Schritt vorangekommen. Als Ergebnis des letzten Treffens in Bonn hatten sich der Bundesinnenminister, die Verbände sowie Vertreter des Berliner Senats lediglich auf eine Arbeitsgruppe geeinigt. Severin Weiland