■ Mit Ostinvestitionen auf du und du: Mit Kunden locken
Warschau (taz) – In Polen hat die Politik des knappen Geldes dazu geführt, daß Andrzej Normalverbraucher statistisch gesehen in D-Mark heute zehnmal mehr als vor vier Jahren verdient: etwa 400 Mark statt damals 40 Mark. Da kaum jemand sein Einkommen wirklich voll versteuert, dafür aber eifrig steuerfrei nach Feierabend dazuverdient, kann man diese Zahl getrost verdoppeln. Da wundert es nicht, daß immer mehr Polen ihren Urlaub im westlichen Ausland verbringen. Auch die Zahl der Mercedes- Besitzer ist in Polen inzwischen größer als in der Schweiz.
Dieser Kaufkraftzuwachs in Devisen ist es vor allem, der Polen für westliche Firmen attraktiv macht. Das heißt allerdings auch, daß diese weniger an Investitionen, als am Verkauf ihrer Produkte interessiert sind. Die polnischen Regierungen der letzten Jahre haben diesen Trend natürlich erkannt und versuchen gegenzusteuern: mit Schutzzöllen, die nur zu umgehen sind, wenn zugleich in Polen investiert wird, mit Steuererleichterungen für große Investitionen. Und diese Maßnahmen sind es dann wieder, die ausländische Politiker und Geschäftsleute auf die Palme bringen – wie beim G-7-Gipfel der Wirtschaftsminister der sieben großen Industrienationen und dem begleitenden Wirtschaftsforum in Warschau. Amerikanische Vertreter beklagten, die polnischen Importbeschränkungen seien härter als die der Europäischen Union für die USA. Inzwischen sind die USA allerdings zu einem der Spitzenreiter bei Investitionen aufgerückt – die polnische Rechnung ist also zumindest teilweise aufgegangen. Coca-Cola und Pepsi liefern sich inzwischen einen heftigen Kampf um 38 Millionen Polen und halten zusammen bereits über die Hälfte des polnischen Getränkemarkts.
Der polnische Außenhandelsminister Leszek Podkanski forderte bei der Konferenz den Westen zu größerer Öffnung seiner Märkte auf. Daß Polen selbst seit einem halben Jahr eine Importrestriktion nach der anderen eingeführt hat, ließ er unerwähnt. Experten auf dem Business-Forum empfahlen eine Weiterentwicklung dieser Strategie. Die Länder Ostmitteleuropas sollten ihren Wettlauf in die Europäische Union beenden und statt dessen einen eigenen gemeinsamen Markt mit einheitlicheren Investitionsbedingungen schaffen. Peter Lorincz, Budapester Direktor einer großen westlichen Consultingfirma: „Die meisten Investoren setzen ihre Mittel nicht zur Eroberung nur eines Marktes, sondern der ganzen Region ein.“ Das Problem: Unter den Osteuropäern selbst existieren heute aber zum Teil größere Handelshemmnisse als zwischen ihnen und der Europäischen Union. Klaus Bachmann
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