: Brüter ohne Kühlung
■ Kühlhahn zugedreht im AKW Belojarsk, dann ging das Feuer aus
Berlin (taz) – Ist der schnelle Brüter von Belojarsk im Ural tatsächlich wieder unter Kontrolle? Diese Frage haben sich – trotz der offziellen Entwarnung aus Moskau – gestern Experten von Greenpeace gestellt. Nach den Meldungen aus dem russischen Atomministerium wurde der Natrium-Brand am Samstag um 7.30 Uhr Ortszeit (3.30 Uhr MESZ) gelöscht. Ausgebrochen war das Feuer am Freitag vormittag um 9.24 Uhr Ortszeit, als durch ein Leck im äußeren Kreislauf das Kühlmittel Natrium austrat und durch den Luftsauerstoff in Brand geriet.
Weil weder die Werksfeuerwehr noch die Feuerbrigade aus der nur 40 Kilometer entfernten Millionenstadt Jekaterinburg über Stickstoff zum Löschen eines Natriumbrandes verfügten, hatte sich nach Informationen von Greenpeace das Brüter-Management entschlossen, den Kühlkreislauf zu unterbrechen und das Natrium ausbrennen zu lassen. Nach Auffassung der Greenpeace-Expertin Inge Lindemann eine gefährliche Strategie: Schließlich soll ja das Natrium den Reaktorkern kühlen anstatt mit über 500 Grad Celsius den Brüter zusätzlich von außen her aufzuheizen.
Der russische Atomexperte Wladimir Kusnezow äußerte gegenüber Greenpeace den Verdacht, daß auch der zweite Kühlkreislauf, der normalerweise nicht kontaminiert ist, in Belojarsk radioaktiv verseucht wurde. Diese Information konnte allerdings, ebenso wie die Angaben aus dem Moskauer Atomministerium, nicht überprüft werden. Der Belojarsker Reaktor, der bis zu seiner Stillegung im April Bombenplutonium erbrütet hat, untersteht der militärischen Abteilung des Atomministeriums. Erst mit Verspätung sickern von dort – manchmal – Informationen durch. So hat es 1992 in Belojarsk zwei Unfälle mit Austritt von Radioaktivität gegeben, von denen der zweite in die Kategorie 3 der achtstufigen internationalen Störfallskala eingeordnet wurde. 1993 wurde die Schutzzone um Belojarsk von acht auf 30 Kilometer ausgedehnt. Sie ist damit so groß wie die um Tschernobyl. Zuletzt hatte es im Oktober 1993 einen Natriumbrand in Belojarsk gegeben, bei dem 10 Curie Radioaktivität freigesetzt wurden. dri
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen