Hansawelle schlägt hoch

■ Redakteure kritisieren Umgestaltung des Programms / Wellenchef schmeißt das Handtuch Musikplaner will gehen / Hörfunkchef: „Reform ist beschlossene Sache“ / Angst vor den nächsten Mediadaten

Beim Flaggschiff von Radio Bremen hat's gekracht: Seit letzen Freitag ist die Hansawelle kopflos. Da hat der Wellenchef Kai Schlüter nämlich das Handtuch geworfen, und der Musikgestalter Erhard Schiemann hat angekündigt, daß er nach Auslaufen seines Vertrages im September nicht mehr für den Posten zur Verfügung stehen werde. Der Grund: In der Woche zuvor war auf einer Personalversammlung der Hansawelle der geballte Unmut der MitarbeiterInnen explodiert. Die Umgestaltung der Hörfunkwellen scheint nicht unbedingt mehr HörerInnen gebracht, aber dafür umso mehr Frust bei den MacherInnen erzeugt zu haben. Am Montag nachmittag kam es noch einmal zu einem Treffen der MitarbeiterInnen, und jetzt wollen sich die MitarbeiterInnen selbst um die Umgestaltung der Welle kümmern. Doch allzu grundsätzlich soll das nicht werden, findet der Hörfunkchef Hermann Vinke. Über Kritik könne man reden, über die Reform als solche nicht mehr: „Das ist beschlossene Sache.“

Die Differenzen tun sich schon bei der Frage auf, worüber im Funkhaus denn eigentlich Differenzen bestehen. „Das war ein Streit vor allem um Personen“, sagt Vinke. „Die Reform steht überhaupt nicht auf dem Prüfstand.“ Das finden die Redakteure aber sehr wohl: „Muß eine öffentlich-rechtliche Anstalt Privatfunk machen“, wurde bei der Personalversammlung gefragt. „Dieser Streit ist bis jetzt gar nicht geführt worden. Bauernopfer reichen da nicht.“

Was als Entrümpelung der etwas angestaubten Hansawelle geplant war, das entwickelte sich innerhalb des Funkhauses zum großen Ärgernis. Mit der Umgestaltung des Hörfunkprogramms hatten sich auch die Arbeitsbedingungen gründlich geändert: Die Fachredaktionen wurden in einer einzigen Zentralredaktion verschmolzen und die Beiträge wurden auf Stromlinienform getrimmt – so die Klage der RedakteurInnen. „Wenn ich einen Beitrag von 3.30 Minuten hatte, und der war Spitze, dann hieß es: Den können wir nicht nehmen, weil er über 2.30 ist“, erzählt ein Redakteur. „Stimmt nicht“, kontert der Hörfunkchef. „Ich habe die Redakteure immer ermuntert: Berichterstattung ohne Rücksicht auf die Musik. Und da kommen Beiträge über vier Minuten heraus.“

Unter dem Quotendruck bewegte sich die Hansawelle schnurgerade in Richtung der privaten Konkurrenz, klagten die MitarbeiterInnen. Und da sei kein Blumentopf zu gewinnen. Zum einen müsse sich der Rundfunk darauf einstellen, daß er entweder auf Werbeeinnahmen oder auf Rundfunkgebühren verzichten muß, zum anderen müsse er seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen. Und das sei immer weniger der Fall: „Was wir machen, das ist Privatfunk.“

Zu der inhaltlichen Kritik kam bei der ersten Personalversammlung dann auch noch der Unmut über die Chefetage. Die reagierte prompt: Kai Schlüter sagte die Bildung von vier Arbeitsgruppen innerhalb der Hansawelle zu. Doch diese Zusage mutierte im Laufe der folgenden Tage zu vier unverbindlichen Diskussionsveranstaltungen. „Da haben sich die Mitarbeiter verarscht gefühlt“, sagte ein Redakteur. Eine Woche dauerte es, bis Schlüter schließlich das Handtuch schmiß, und der Musikgestalter warf seins hinterdrein. Die Stellen werden intern ausgeschrieben, für Radioimporte fehlt dem Bremer Sender das Geld.

Was allerdings aus der inhaltlichen Gestaltung des Programms wird, das steht noch in den Sternen. Die Programmreform ist ein Kind Vinkes, kein Wunder, daß seine Begeisterung für Grundsatzdebatten eher begrenzt ist. Und Mitte Juni kommen die aktuellen Hörerquoten auf den Tisch, da ist die Anspannung besonders groß. Auf der anderen Seite steht ein größerer Teil der Belegschaft, die aber gerade diese Grundsatzdebatte führen will. Preisfrage: Wie könnte das öffentlich-rechtliche Gesicht ausssehen, ohne daß es vom privaten ununterscheidbar wird. Die gestrige Versammlung hat beschlossen, Vinke einen Brief zu schreiben und eine Arbeitsgruppe „Programmreform von unten“ zu bilden. Daran hat es offensichtlich bislang gefehlt, das sieht auch der Pressesprecher des Senders so. Michael Glöckner: „Die Mitarbeiter müßten immer den Mut haben, ihre Kritik auch offen zu sagen; nicht erst, wenn die Stimmung schon danach ist. Plötzlich haben's schon immer alle gewußt.“ J.G.