Billiger Plastikramsch

■ Der Spielemarkt tendiert zum europäischen Fastfood- Einheitsspiel, grafisch Anspruchsvolleres wird marginal

Ein Spiel soll 30 Mark kosten, 30 Minuten dauern, möglichst in einem 30-Sekunden-TV-Spot zu bewerben sein und nach 30 Spielen in der Ecke liegen. So etwa könnte die Regel lauten, nach der Europas größter Spielehersteller, der Otto Maier Verlag aus Ravensburg, seine diesjährigen Neuheiten konzipiert hat und in diesen Tagen auf die Kauflustigen losläßt. Da kann sich der Spielekritiker nur noch ducken und versuchen, unter den gelärmigen Angriffen der Spielemarktstrategen mit ihren „Zongs“, „Skate Cats“ und „Dschungelparties“ durchzutauchen.

„Die großen Verlage schielen nur noch auf den Umsatz. Sie denken nur noch an die breite Masse. Keiner will mehr ein Risiko eingehen und ein gutes, aber dafür nicht so gut verkaufbares Spiel produzieren.“ Der da so kritisch spricht, ist Johann Rüttiger, Erfinder solch märchen- und rätselhaft schöner Spiele wie „Die sieben Raben“ oder „Der Feuersalamander“. Zusammen mit seinem Bruder Michael Rüttiger ist er verantwortlich für die Spiele des fränkischen Herstellers Noris. Der hat sich derzeit auf Quizspiele aller Art spezialisiert und produziert und verkauft davon so viele wie nie zuvor. Seine komplexeren und grafisch aufwendigeren Spiele will Johann Rüttiger demnächst in eigener Regie herausbringen. Wirklich Spannendes produzieren derzeit nur noch die Kleinverlage. Wie zum Beispiel „Hans im Glück“ mit seinem „Modern Art“ von Rainer Knizzia, das 1993 den „Deutschen Spielepreis“ erhielt. Oder der Berliner Newcomer Blatz Spiele, der versucht, Reinhold Wittichs und Alex Randolphs Spiele ästhetisch hervorragend aufbereitet unter die Leute zu bringen. Es ist schon sonderbar, daß der Star der letzten Jahre am Spielehimmel, Klaus Teuber, seine „Vernissage“ im eigenen Verlag herausbringen muß.

Mit solch einer Abwertung ihres Programms sind die Ravensburger natürlich gar nicht einverstanden. „Es hat auf dem Markt Veränderungen gegeben, und darauf reagieren wir“, verteidigt Cordula Schnieber von der Presseabteilung die neue Strategie. „Es sind verstärkt die Kinder und nicht mehr die Eltern, die darüber entscheiden, was für sie gekauft wird. Das hat natürlich Konsequenzen für die grafische Gestaltung und die Komplexität der Spiele.“ Diese Konsequenzen sind poppige Schachteldeckel, buntes Spielmaterial und simple, für die Kinder leicht verständliche Regeln, bei denen ein Erwachsener zum Erklären nicht mehr gebraucht wird. Die Titel schrumpfen zu Schlagworten wie „Mister Diamond“ oder „Little Princess“, auf den Verpackungen gibt es statt liebevoller Grafik oder fantasievoller Figuren nur noch billigen Plastikramsch zu bewundern. Im Fernsehen wird das Ganze dann massiv beworben, damit die Kinder auch wissen, welchen „eyecatcher“ sie aus den Spielzeug-Supermarkt-Regalen herauszerren sollen. Insgesamt geht der Trend weg vom anspruchsvollen Familien- hin zum Fastfood-Kinderspiel. Doch auch da winkt Cordula Schnieber ab. „Wir probieren etwas Neues aus, das heißt nicht, daß wir auf unser traditionelles Angebot verzichten wollen.“

Trotzdem, die Tendenz zum europäischen Einheitsspiel, das ohne großen zusätzlichen Kostenaufwand in allen Ländern mit dem gleichen Werbespot zu vermarkten ist, ist offenbar. Daß es dabei nicht automatisch flach zugehen muß, beweist die verwirrende Memoryvariante um in Kokusnüssen versteckte Affen „Coco crazy“ von Hajo Bücken. Peter Huth