Palästinenserpolizei braucht Geduld

Hunderte palästinensische Ordnungshüter kampieren noch immer im jordanischen und ägyptischen Grenzgebiet und warten / Verzögerung hat politische und logistische Gründe  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Es war ein merkwürdiges Bild, das sich die letzten zwei Tage an den Übergängen von Ägypten und Jordanien in die besetzten Gebiete bot: Israelische Soldaten kontrollierten kistenweise angelieferte Kalaschnikows. Nicht um sie zu beschlagnahmen, sondern um sie zu registrieren und zum Weitertransport freizugeben. Die künftigen Träger dieser Waffen ließen hingegen tagelang auf sich warten. Sechs Hundertschaften der palästinensischen Polizei, überwiegend Mitglieder der Ain-Dschalud-Brigade der Palästinensischen Befreiungsarmee PLA, kampierten seit dem Wochenende auf ägyptischem und jordanischem Gebiet und warteten auf Einlaß. Die ersten 150 Mann der Brigade sollten nach einer ersten Verschiebung ihrer Ankunft eigentlich am Montag abend die Grenze zum Gaza-Streifen überschreiten und setzten sich schließlich gestern nachmittag Richtung Grenzposten in Bewegung. Gründe für die Verzögerung wurden nicht bekanntgegeben.

Die nebulöse Informationspolitik von PLO und israelischer Regierung trug nicht gerade zur Beschwichtigung Hunderter von PalästinenserInnen bei, die seit Tagen an den Übergängen auf die Ankunft ihrer zukünftigen Ordnungshüter warten. Immer wieder kam es zu Zusammenstößen zwischen den überwiegend jugendlichen Empfangskomitees, die aus Frust anfingen, Steine zu werfen, und israelischen Grenzschutzmitgliedern, die sich wie in alten Tagen verhielten. Unter Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen verletzten sie am Montag mindestens 20 Palästinenser in Rafah, ein 15jähriger Junge wurde erschossen. In den Grenzorten haben derweil Graffitimaler Hochkonjunktur. An den Häuserwänden in Rafah prangen immer mehr Gemälde zur Begrüßung der palästinensischen Polizei.

Widersprüchliche Gerüchte über die Verzögerung bei der Einreise der Polizisten machten gestern die Runde, eilends einberufene Pressekonferenzen trugen wenig zur Klärung bei. Am Grenzübergang Rafah gab der israelische Verbindungsoffizier zur palästinensischen Polizei, General Jomtov Samia, bekannt, daß sich beide Seiten auf einen Plan zur Übergabe von rund 30 israelischen Militärstützpunkten im Gaza-Streifen an die palästinensische Polizei geeinigt hätten. Die künftigen Ordnungshüter seien bei den Verhandlungen durch eine Gruppe von Offizieren unter Befehl von General Ziad Al-Atrasch vertreten gewesen. Al-Atrasch war der Kommandant von Jassir Arafats Elitetruppe, der berühmten palästinensischen „Kampftruppe 17“, die 1982, nach dem israelischen Einmarsch in den Libanon, von US- Militärs evakuiert wurde.

Ein israelischer Armeesprecher erklärte, die Verzögerungen seien auch auf logistische Probleme beim Anrücken der PLA-Einheiten aus den einzelnen arabischen Ländern zurückzuführen. Nach neuen Instruktionen aus Tunis sollten die bisher im Jemen stationierten Einheiten noch vor den Mitgliedern der Ain-Dschalud- Brigade im Nordsinai nach Gaza kommen. Wegen des im Jemen ausgebrochenen Krieges habe man sie jedoch nur unter größten Schwierigkeiten über Saudi-Arabien nach Kairo bringen können.

In Jerusalem wurde aber gleichzeitig bekanntgegeben, daß Israel den Einzug der palästinensischen Polizei jetzt auch von der Ernennung aller 24 Mitglieder des palästinensischen nationalen Selbstverwaltungsrats für die Autonomiegebiete Gaza-Streifen und Jericho abhängig macht. Damit scheint PLO-Chef Arafat, der selbst an der Spitze dieser lokalen Regierungsbehörde stehen wird, weiterhin ernste Probleme zu haben. Vor allem über das Verhältnis von Funktionären aus den besetzten Gebieten und solchen aus dem Exil gibt es offenbar große Differenzen zwischen den Mitgliedern der PLO-Exekutive und dem Zentralkomitee von Arafats Fatah in Tunis. Seit dem 6. Mai wird darüber verhandelt.

Die Ernennung der Ratsmitglieder sollte ursprünglich vergangenen Sonntag bekanntgegeben werden. Mitglieder der PLO-Führung wollten verhindern, daß nur Arafat bestimmt, wer in die Gaza- Jericho-„Regierung“ aufgenommen wird. Einige Kandidaten wollten sich außerdem nicht ernennen lassen. Andere machten zur Bedingung, daß Arafat seine absoluten Machtbefugnisse aufgibt.