Billigjobs kommen vor allem Frauen zugute

■ Arbeitslosenquote im Westen bei Frauen niedriger als bei Männern

Berlin (taz) – In England herrschen postindustrielle Zustände: Bei der Equal Opportunity Commission in Manchester kommen 76 Prozent aller Klagen wegen sexueller Diskriminierung von M ä n n e r n . Viele protestieren, weil Arbeitgeber sie nicht für die neuen, billigen Jobs im Dienstleistungssektor einstellen wollen, sondern Frauen bevorzugen. Ähnliche Zustände könnten bald im Westen Deutschlands einziehen. Denn viele der hierzulande neugeschaffenen Jobs werden von Frauen besetzt. Erstmals liegt die Arbeitslosenquote der Frauen unter jener der Männer.

Im April diesen Jahres waren in den alten Bundesländern 9,3 Prozent der Frauen, aber 9,4 Prozent der Männer arbeitslos gemeldet (bezogen auf die abhängigen zivilen Erwerbspersonen). Im Vergleichsmonat des Vorjahres betrug die Quote bei den Frauen dagegen 8,2 Prozent, bei den Männern aber nur 7,7 Prozent. Im Jahre 1991 lagen die Männer sogar um 1,3 Prozentpunkte günstiger als die Frauen. Die Verhältnisse haben sich in der gegenwärtigen Krise umgekehrt.

„Frauen profitieren jetzt stärker vom Arbeitsmarkt“, erklärt der Sprecher der Bundesanstalt für Arbeit, Eberhard Mann. „Sie sind vor allem im Dienstleistungssektor und viele in Teilzeit tätig, genau in den Bereichen, in denen die Beschäftigung expandierte.“

Der Zuwachs an Jobs fand in den typischen Frauendomänen statt: So stieg der Anteil der Teilzeitbeschäftigten im September 1993 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,9 Prozent auf 2,77 Millionen im Westen Deutschlands. Im gleichen Zeitraum nahm der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungssektor immerhin noch um 0,7 Prozent zu, während das produzierende Gewerbe 7 Prozent der Jobs abbaute.

Dienstleistungsjobs gehören den Frauen: in diesem Sektor sind 52 Prozent der Erwerbstätigen weiblich, im produzierenden Gewerbe dagegen nur 24 Prozent. Kein Wunder also, daß die Gesamtzahl der Beschäftigten bei den Frauen weniger stark absackte als bei den Männern. Im September 1993 war die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,6 Prozent gesunken, die der Männer aber um 3 Prozent, so die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit.

Aber die neue Entwicklung ist ambivalent. Denn über die Qualität der Jobs sagen die Statistiken nichts aus. Gerade Teilzeitjobs werden in der Mehrzahl nur in schlechter qualifizierten und niedriger bezahlten Positionen angeboten. Das gleiche gilt für viele Tätigkeiten in der Dienstleistung. Der sozialpolitische Referent im DGB- Forschungsinstitut WSI, Gerd Bäcker, kommentiert das neue Verhältnis der Arbeitslosenquoten: „Man könnte es vielleicht als kleinen Fortschritt der Frauen betrachten, aber es ist nur ein relativer Fortschritt in einer Entwicklung, die nach unten weist.“

Allerdings ziehen sich viele Frauen auch in die „stille Reserve“ zurück und fallen damit aus der Arbeitslosenstatistik heraus. „Es gibt Anzeichen dafür, daß sich in Zeiten der schwierigen Jobsuche die Stille Reserve wieder aufbaut“, heißt es bei der Bundesanstalt für Arbeit. Die „stille Reserve“ ist allerdings kein neues Phänomen.

In der Krise haben es diejenigen leichter, die flexibler sind, so predigen Wirtschaftspolitiker. Und flexibler mußten schon immer die Frauen sein: flexibler im Lohn, flexibler in der Art der Tätigkeit. „Bei Frauen erwartet man auch nicht unbedingt eine durchgehende Erwerbsbiographie, Männer werden durch Arbeitslosigkeit dagegen eher stigmatisiert“, beschreibt der Sozialforscher Ali Wacker den Stellenwert von Erwerbslosigkeit in den Augen der Personalchefs.

Der Vorsprung der Frauen in Sachen Billigjobs gilt aber nur für die alten Bundesländer. Im Osten sieht es düster aus. Hier stellen die Frauen 64 Prozent der Arbeitslosen, Tendenz steigend. Barbara Dribbusch