Das Phantom des Musicals

■ Keiner weiß, was im Musical-Theater über die Bühne gehen soll – Produzent Kurz setzt auf Hausgemachtes/ Die Wirtschaftsförderung reibt sich schon mal die Hände

Mit einem deutschen Oratorienhaus wollten die Bremer im vergangenen Jahrhundert Richard Wagners Bayreuth Konkurrenz machen. Aus diesen Plänen wurde bekanntlich nichts. Nun ist ein kommerzielles Musicaltheater an der Weser angesagt. Am Mittwoch machten Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WfG) und Musical-Mogul Friedrich Kurz die Gutachter-Ergebnisse öffentlich, die zur Entscheidung für den Standort Bremen geführt haben. Wie teuer dann aber die geplante Touristenfalle im alten Zentralbad für die Stadt werden wird und wieviel Produzent Kurz tatsächlich investieren will, blieb offen.

Der Musicalmarkt sei durch sogenannte Bedarfsweckungseffekte gekennzeichnet, hat die Freizeitunternehmensberatung Wenzel für die WfG herausgefunden. Will meinen: Immer mehr Musical-Angebote würden immer mehr Zuschauer anlocken (Stichwort: Hinkelsteinfabrik von Obelix). In diesem Zusammenhang seien weder die Musical-Metropole Hamburg - hier sind neben „Phantom der Oper“ weitere Projekte geplant -, noch Gerüchte von einem eventuellen Musical-Standort Hannover für das Bremer Vorhaben gefährlich, im Gegenteil. Michael Göbel, Geschäftsführer der Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft: „Das ist in den Berechnungen mit enthalten“. Und Friedrich Kurz: „Die Nähe zu Hamburg ist positiv“. Denn die Hamburger würden nach Bremen fahren, wenn sie sich an den Elbestadt-Musicals sattgesehen hätten.

467 000 BesucherInnen könnte das neue kommerzielle Theater laut Gutachten jährlich anlocken. Die Analyse basiert auf folgenden Thesen: Städtetourismus ist derzeit Trend, von diesem Kuchen kriegen jedoch nur Städte mit attraktivem Angebot etwas ab. Die untersuchte, wenn auch nicht näher beschriebene Zielgruppe sucht Live-Erlebnis, Unterhaltungswert, Abwechslung vom Alltag. Wenn diese Voraussetzungen gegeben seien, würde ein Drittel der künftigen Musicalbesucher mehr als 100 Kilometer hinter sich bringen, um nach Bremen zu kommen, heißt es in der Expertise.

Bremer Geschäftsleute könnten danach mit einem Umsatzplus von 92,8 Millionen Mark pro Jahr rechnen, insgesamt wird der Kaufkraftzufluß auf 139 Millionen geschätzt. 630 neue Arbeitsplätze führen die Freizeitunternehmensberater ins Feld, daneben Steuereinnahmen von jährlich 5,7 Millionen Mark.

Zusätzlich erhalte die Stadt eine Verzinsung ihrer Investitionen durch Mieteinnahmen für das Gebäude, ergänzt Harald Matys, der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Doch vor der ersten Mietmark stehen städtischerseits, so Matys, folgende Ausgaben: der Umbau des Gebäudes, die kostenlose Bereitstellung des Geländes und Infrastrukturmaßnahmen. Hinter letzterem Punkt verbergen sich beispielsweise die Zufahrten, die für die Busse geschaffen werden müssen, in denen die erwarteten Musical-BesuchInnen vor die Tür des neuen Theaters chauffiert werden sollen.

Das Geschäft mit dem Musical ist ein Wirtschaftsfaktor. Doch was soll im Ex-Show Park denn in zwei Jahren über die Bühne gehen? Sunset Boulevard, das derzeitige Erfolgsstück Andrew Lloyd Webber, jedenfalls nicht, gibt Produzent Kurz eine eindeutige Antwort. Aber was dann? Kurz will aufs Hausgemachte setzen. „In Deutschland haben wir jetzt die Chance, eine Industrie zu kreieren.“ So bleibt am Ende nur eines gewiß: 700 000 Mark werden ersteinmal ausgegeben, um die Kosten des Projekts zu berechnen. ille