Aufrechter Kitsch

■ Der WDR sendet gutartige Spots gegen Rechts

Das waren noch Zeiten, als wir uns unbeschwert an Fernsehspots erfreuen durften, in denen Lodda Matthäus zum besten gab, wie prima ihn die Italiener doch damals bei Inter Mailand aufgenommen hätten und er darum für Ausländerfeindlichkeit nun überhaupt kein Verständnis aufbringe. Wie der eloquente Ledertreter ließen sich damals auch andere Promis einspannen und berichteten mit strahlenden Augen, wie vorzüglich es bei ihrem Griechen um die Ecke munde. Angesichts der Tatsache, daß derartige Spots allenfalls für unfreiwillige Heiterkeit sorgten, da die Erfahrungen von Lodda & Co. mit der Fremde nicht eben repräsentativ waren, machte der WDR im letzten Jahr ganz in Sachlichkeit. Auf WDR 1 verabreichte man den Hörern handfeste, aber auch knochentrockene „Argumentationshilfen“ gegen die grassierende Ausländerfeindlichkeit.

Im Superwahljahr haben die Kölner nun erkannt, daß sich in 60 Sekunden zwar Waschpulver und Einlegesohlen verticken lassen, doch kaum ein potentieller Fascho-Sympathisant mit guten Argumenten ins Grübeln zu bringen ist. So setzt der Sender bei seinen neuen ab Montag laufenden Clips vorwiegend auf die Strategien der kommerziellen Werbung und versucht sich eifrig im Stilmittel der Ironie. Wenn politisch korrektes Bewußtsein betont heiter verkauft werden soll, heißt das wie im deutschen Kabarett jedoch leider auch hier, daß es kaum noch was zu lachen gibt und der Grat zum aufrechten Kitsch ein schmaler ist. Statt daß man Anthony Yeboah verkünden ließe, sein bester Freund sei Neger, marschieren da Skins und multikulturelle Normalbürger aufeinander zu, vermengen sich und schreiten schließlich Arm in Arm gemeinsam aus. In einem witzigeren Spot werden immerhin auch mal Negerküsse verlangt.

Ausgestrahlt werden die gutartigen Spots „gegen Dummheit und Gewalt“ in fast allen WDR-Hörfunkprogrammen und in West 3. Auch in WDR-Sendungen im Ersten („Weltspiegel“, „Zak“, „Monitor“) sollen sie laufen. Den anderen ARD-Anstalten sollen die Clips kostenlos angeboten werden. Grundsätzlich gibt man sich hinsichtlich der Effizienz der Filmchen betont realistisch. Das Ganze hat denn auch mehr den Charakter des hehren Widerspruchs. Auch dem WDR werden per Rundfunkgesetz ab Montag die Parteien- Wahlspots zur Europawahl aufs Auge gedrückt. Darunter die der Reps und der NPD, mit denen man sich, so Hörfunk-Chef Fritz Pleitgen, „beim besten Willen nicht identifizieren könne“. Bei soviel political correctness bleibt dem Anhänger unfreiwilliger Komik nur das zustimmende Nicken und das Warten auf den nächsten Aids- Spot. Reinhard Lüke