■ Ein UNO-Expeditionskorps nach Ruanda?
: Interventionslüftchen

Zum wiederholten Mal hat UNO-Generalsekretär Butros Ghali den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gebeten, eine Blauhelmtruppe nach Ruanda zu schicken, um in den fortdauernden Völkermord in dem zentralafrikanischen Land einzugreifen. Sein Appell stößt nicht mehr nur auf taube Ohren, wie es noch vor einigen Wochen der Fall war. Vom französischen Truppenangebot bis zu den US-amerikanischen Überlegungen, die ruandisch-burundische Grenze zur Schutzzone zu erklären – es regen sich Interventionslüftchen.

Aber mit welchem Ziel? Paul Kagame, Führer der Guerillabewegung RPF, ist nicht zu widersprechen, wenn er sagt: Die Toten sind nicht mehr zu retten. Und ob es nun 100.000 oder 500.000 sind, die in den letzten fünf Wochen ermordet wurden – das Sterben in Ruanda ist bereits zu groß, als daß ausländische Soldaten den Status quo ante wiederherstellen könnten. Solche Absicht muß man ja wohl Frankreich unterstellen, das wesentlich zur Entstehung und Aufrüstung des tribalistischen Klientelsystems der vergangenen Jahrzehnte unter dem ermordeten Präsidenten Juvénal Habyarimana beigetragen hat.

Es muß also nach vorne gedacht werden. Und hier gibt es ein Problem. Die Strategen, die sich jetzt über ruandische Landkarten beugen, wollen ja gar kein politisches Ziel verfolgen. Sie sagen: Die Menschen müssen gerettet werden. Sie sagen nicht: Um die Menschen zu retten, muß man verhindern, daß bestimmte Leute unter Waffen bleiben und wieder die Macht ergreifen. Sie machen genau dieselben Fehler wie ihre Vorgänger in Somalia, die ja auch nie klarstellten, was sie eigentlich wollten, und die sich darauf beschränkten, einen Farah Aidid zum Feind und damit unbewußt zum Nationalhelden zu erklären. Wer nicht weiß, gegen wen er aus welchem Grund interveniert, sollte es besser bleiben lassen.

„Völkermord“ ist keine Kriegspartei, die man besiegen oder mit der man verhandeln kann. Ihn zu beenden reicht als Interventionsziel nicht aus. Der an- und abschwellende Eingreif-Enthusiasmus Richtung Afrika krankt daran, daß er das Sterben – ob an Hunger oder durch Gewehrfeuer, wird gar nicht auseinandergehalten – zum Kulturmerkmal der Afrikaner erklärt. Innerhalb des zur Zeit modischen Begriffs des „Aufeinanderprallens der Zivilisationen“ erscheint Afrika als Loch, in dem einfach nur so gemordet wird. Daß dahinter Kulturen und Gesellschaften stecken, in denen Menschen leben (und nicht nur sterben) – wer fragt noch danach? Dominic Johnson