UNO vor Beschluß über Militärintervention in Ruanda

■ Nigeria und Frankreich wollen mitmachen

Berlin (taz) – Nachdem die UNO fünf Wochen lang zugesehen hat, wie in Ruanda Hunderttausende von Menschen einem Völkermord zum Opfer gefallen sind, will sie sich jetzt doch noch einschalten. Der UN-Sicherheitsrat berät zur Stunde über die Wiederaufstockung der erst im April fast vollständig abgezogenen Blauhelmtruppe auf 5.500 Mann mit einem erweiterten Mandat. Nach einem Vorschlag von UNO-Generalsekretär Butros Ghali soll die Truppe zunächst den internationalen Flughafen nahe der Hauptstadt Kigali besetzen und ein Gebiet um dem Flughafen zur „neutralen Zone“ erklären, von wo aus Hilfstransporte organisiert werden können. Sie soll dann in andere Landesteile ausschwärmen und dort Schutzzonen für Kriegsflüchtlinge schaffen. Schießen soll sie nur zur Selbstverteidigung. Butros Ghali meinte, die Truppe solle „den Völkermord stoppen“. Es sei dafür „nicht zu spät“.

Offenbar gibt es diesmal, anders als bei früheren Vorschlägen für eine afrikanische Militärintervention, konkrete Truppenzusagen – von Nigeria, Ghana, Tansania und auch Frankreich, dessen Präsident François Mitterrand erklärte, sein Land werde „jeder schriftlichen Bitte des UN- Sicherheitsrates“ nachkommen. Das geplante Vorgehen – in der Hauptstadt landen und dann ins Land vorrücken – ähnelt der spektakulär schiefgegangenen Intervention von UNO und USA in Somalia, und die USA zeigen sich bisher auch reserviert. Washington schlägt statt dessen einen Einsatz an der ruandisch-burundischen Grenze vor, wo mit weniger Soldaten sofort Schutzzonen eingerichtet und ein Übergreifen des Krieges auf Burundi verhindert werden könnte.

Das plötzliche Interventionsfieber kommt zu einem pikanten Zeitpunkt. Butros Ghalis Vorstoß folgt auf Meldungen, wonach die Regierungsmilizen, die für den Großteil der Massaker verantwortlich sind, kurz vor der endgültigen Niederlage im Krieg gegen die RPF-Guerilla (Patriotische Front Ruandas) stehen. Die RPF kontrolliert mittlerweile zwei Drittel des Staatsgebiets; in der Hauptstadt Kigali wird von Haus zu Haus gekämpft, die Regierungstruppen am Flughafen sind eingekesselt. RPF-Führer Paul Kagame lehnte am Mittwoch eine Militärintervention ab, sagte aber, die RPF werde sich ausländischen Soldaten, die humanitäre Hilfe leisteten, nicht in den Weg stellen. Kommentar Seite 10