„Hey du ... psst, psst“

■ Echt konspirativ: Auch nach dem Haschisch-Urteil heißt–s beim Kauf cool bleiben Von Andrew Ruch

In dem kleinen Hamburger „Headshop“ riecht es nach Räucherstäbchen, im Hintergrund dudelt leise Radiomusik. „OK-Radio“ ist eingestellt, nicht ganz zur Atmosphäre des Ladens passend. Zum Alter des Geschäftsinhabers schon: Niels ist 23 Jahre alt. „Kiffen ist eine Art von Mystik. Eine stille Revolution. Das hat mich fasziniert“, beschreibt der gelernte Grafiker seinen Schritt in die Selbständigkeit. In Glasvitrinen, Schränken und auf Regalen präsentieren sich die Accessoires, die des Kiffers Herz höherschlagen lassen - und das Portemonnaie beanspruchen: Für handgeschnitzte Shillums, mit Edelsteinen besetzt, darf die LiebhaberIn gute hundert Mark hinblättern, Standard-Wasserpfeifen aus Glas sind schon für 69 Mark zu haben. Den besonderen Geschmack bedienen „Bons“ in der Form von Totenschädeln, die Niels selber nicht mag, „die man aber im Sortiment haben muß“. Wie auch allerlei anderen Schnickschnack. Ob Hemden, Modeschmuck oder Duftwässerchen, das „Headshop“-Angebot ist variabel. Selbst Multivitaminsaft aus der Dose ist zu bekommen. „Ich muß erst mal sehen, was so ankommt.“

Angekommen ist jedenfalls der Spruch des Bundesverfassungsgerichts: „Seit dem Urteil sind die Leute viel lockerer, offener“, hat Niels, seit einem Jahr stolzer Ladenbesitzer, erfreut festgestellt. Er meint nicht die Haschisch-Konsumenten, sondern „die ganz normalen Durchschnitts-Menschen“. Im Rahmen eines Straßenfestes hatte der 23jährige voriges Wochenende einen Verkaufsstandaufgestellt: „Ich hatte erst ein komisches Gefühl dabei. Hatte mich schon auf Streß eingstellt.“ Niels bot dort seine „Raucher“-Utensilien an. „Die Leute sind aber alle total gut drauf gewesen. Nur geil. Haben gefragt, was ist dies, was ist das, und wirklich Leute, von denen man das nicht gedacht hätte.“ Vor wenigen Tagen sei sogar eine 85jährige Dame in den Laden gekommen: „Die hat sich erst nicht so richtig getraut und kam dann aber doch rein.“ Der langhaarige Jungunternehmer lacht und kann es heute noch kaum fassen: „Die erzählte mir, daß sie vorm Krieg in Bayern gelebt hat und dort immer –Kraut', also Hanf geraucht hat.“

Doch zu meckern gibt es auch was. Niels nervt, daß die Kunden oft nach „was zu rauchen“ fragen. Verstärkt in den vergangenen zwei Wochen. „Ich hätte allein schon am Stand für 4000 Mark Shit verkaufen können.“ Doch der Headshop-Besitzer räumt sofort alle Hoffnungen beiseite: „Zu kaufen gibt's bei mir nichts. Das liegt nicht drin.“ Trotzdem gebe es immer wieder Leute, die nachfragen. „Am schlimmsten sind die per Telefon. Da fragen die doch glatt nach, ob ich nicht fünf Gramm Schokolade zu verkaufen habe.“ „Dope“ gebe es eben nur beim Dealer.

Und wo, bitteschön, gibt's den? Die im vergangenen Jahr als „Coffee-Shop“ „geoutete“ Kneipe in Barmbek ist geschlossen. Dafür pfeifen jetzt elegant gekleidete Männer hinter den vermeintlichen „Drogen“-Kunden hinterher. Auf einem Barmbeker Parkplatz geht es dann zur Sache. „Wieviel?“, fragt der Händler. Man gibt sich fachmännisch: „Was gibt es denn?“ „Peruanisches Gras.“ Aha. Nachfragen, woran man das denn merke, scheinen nicht angebracht. Statt dessen gibt es konspirative Anweisungen: „Weggucken!“ Zwei junge Frauen gehen zu ihrem Auto. Währenddessen kommt ein weiterer Mann im Anzug. „Willst Du nun was kaufen, oder was willst Du“, versucht er den Deal ein bißchen zu beschleunigen. Seit der ersten Kontaktaufnahme ist gerade mal eine Minute vergangen. So gibt man schließlich 50 Mark und bekommt eine kleine Plastiktüte mit etwa vier Gramm „Gras“.

Ähnlich das Ritual in einem anderen Stadtteil, diesmal allerdings in einer Kneipe. Auf der Karte stehen nur wenige Getränke, leider nicht alle zur Verfügung. „Mineralwasser haben wir nicht“, sagt der etwa 50jährige Besitzer und bringt einfach zwei Kaffee. Kaum ist der erste Schluck von der angebrannten Brühe genommen, zischelt es im Hintergrund. „Psst, pssst.“ Der „Chef“ macht auf sich aufmerksam wie Schlemihl in der Sesamstraße, wenn er Ernie eine Tüte Luft verkaufen will, und deutet auf die hinteren Geschäftsräume. Die Kunden stellen sich hinter eine Wand, er bleibt davor. Plötzlich wandert ein körperloser Arm um die Ecke, in der Hand das wohlbekannte Päckchen. Schnell die Ware entnommen und statt dessen einen Fünfziger plaziert – fertig. Fragen nach der Qualität der Ware werden mit einem „das weißt Du doch“ abgeschmettert. Irgendwie unbefriedigend, so ein Kauf.

Headshop-Besitzer Niels hält die Preise sowieso für zu hoch. Außerdem sei das „alles genmanupliertes Zeug“. Also Konzessionen für staatlich überwachten Verkauf erteilen? Niels fände das gut und schwelgt in den Konsequenzen: „Innerhalb von einem Jahr hätten wir allein im Bereich der Reeperbahn 100 Coffee-Shops und in ganz Hamburg bestimmt 400 bis 1000.“