Aus den Niederungen des Fußballsports
: Klassenkampf und Lohbrügger Nachbarschaftshilfe

■ Im hochdramatischen Finale der Oberliga geht es dem 1. SC Norderstedt oder SV Lurup an den Kragen

Letzter Spieltag in den Hamburger und Norddeutschen Amateurklassen. Und dabei geht es in der Oberliga noch einmal um alles. Norderstedt und Lurup - einer von beiden muß absteigen. Und obwohl es in dem einen oder anderen Fall an die Existenz einzelner Spieler gehen könnte, nehmen die Verantwortlichen die Sache biher eher gelassen.

In Norderstedt spricht Trainer Hinners von einer „großartigen Leistungssteigerung“ seiner Mannschaft. „Wir haben zuletzt 8:2-Punkte in Folge geholt, diese Serie wollen wir in Kiel bestätigen.“ Das sollte durchaus machbar sein, denn Holstein Kiel präsentierte sich in den letzten Wochen eher als Opfer, denn als Gegner. Lediglich im Pokalendspiel am Himmelfahrtstag beim TuS Hoisdorf war die Elf, die jenseits von Gut und Böse steht, noch einmal motiviert und gewann leicht und locker mit 3:0, steht damit in der ersten DFB-Pokalrunde.

Doch selbst wenn Norderstedt in Kiel gewinnen sollte, steht nicht fest, ob der letztjährige Vize-Meister den Klassenerhalt schafft. Denn noch ist der SV Lurup um einen Punkt besser. Der große Nachteil der Luruper: Zum Saisonfinale kommt mit Eintracht Braunschweig der Top-Favorit der Liga. Und der braucht auch unbedingt einen Sieg, um die Aufstiegsrunde zu erreichen. 2000 Fans der Niedersachsen wollen mit an die Flurstraße reisen - so hat Lurup wenigstens noch einmal eine große Klasse.

Es könnte also morgen nachmittag um 16.45 Uhr zu einer grotesken Situation kommen. Man stelle sich vor, die beiden Teams spielen untentschieden und sind damit beide aus dem Rennen. Dabei wäre ein Auswärts-Remis für Braunschweig eigentlich gar nicht schlecht, und auch Lurup müßte sich normalerweise über einen Punkt gegen den Zweitliga-Absteiger freuen können.

Großen Jubel gab es am Vatertag in der Verbandsliga. Der SC Concordia feierte (mit einem Tag Verspätung) die Meisterschaft. Bergedorf 85 steht so gut wie sicher in der Aufstiegsrunde. Grund: St. Paulis Amateure verloren in Barsbüttel mit 0:1. Das ansich ist noch keine große Meldung wert, doch wie die Aufholjagd der Bergedorfer (zuletzt 32:4-Punkte) zustande kam, ist mehr als seltsam. Nicht nur, daß Trainer Manfred Lorenz sieben Spieltage vor Schluß gehen mußte, auch die Reaktion der Schiedsrichter in den letzten Spielen ist durchaus ungewöhnlich.

Die Krönung lieferte am Donnerstag Schiedsrichter Christian Henkel, sowieso schon völlig überfordert - weil er aus Lohbrügge kommt und sich dieser Druck schon seit zwei Wochen auf ihn entlud - verlor er in der ersten Halbzeit der Begegnung Halstenbek gegen Bergedorf 85 völlig die Nerven.

Nach 28 Minuten hatte er Halstenbek unberechtigt auf neun Spieler reduziert (vielleicht war ihm mulmig geworden, als Halstenbek mit 1:0 in Führung ging), dann erzielte Trejgis das Bergedorfer 2:1 klar regelwidrig, als er sich den Ball mit der Hand vorlegte. Halstenbeks Trainer Klaus Fock wies daraufhin seine Spieler in der Halbzeit an: „Geht nicht mehr in die Zweikämpfe, sonst fliegt ihr vom Platz“.

Die Folgen des Skandal-Spiels: Bergedorf gewann noch mit 3:1 und steht mit mehr als einem Bein in der Aufstiegsrunde. Die Folgen für Christian Henkel (er hatte vor sechs Wochen schon mal einen Spielabbruch): Flaschen flogen, und er wurde bespuckt. Und Premiere-Mitarbeiter Babak Milani mußte das Ganze im wahrsten Sinne des Wortes ausbaden: Denn ausgerechnet ihn traf ein Qualzer am Hals, weil sich Henkel auch noch duckte. Der eigentliche Skandal!

Nichts desto trotz werden Hamburgs Fußballspieler am morgigen Sonntag ordentlich feiern. Schließlich ist es doch egal, ob man aufsteigt, absteigt oder im Mittelfeld spielt. Wichtig ist doch nur: Der Ball ist rund - und ein Spiel dauert 90 Minuten. Und darüber läßt sich bei einem kühlen Bier prächtig bis zum Morgengrauen diskutieren.

Nobby Siegmann