Interkunst gegen Gewalt

Der Verein „Interkunst“ tourt mit internationalen „Instant acts gegen Gewalt und Rassismus“ durch Theater, Schulen und Jugendzentren  ■ Von Christine Berger

Till Dellers rauft sich im Schöneberger „Interkunst“-Büro die Haare: Wieder mal stellen sich die russischen Behörden stur und wollen die Visa für eine Petersburger Rapgruppe nicht pünktlich herausrücken. Doch der gebürtige Schweizer gibt nicht so schnell auf. Seit knapp zwei Jahren managt er den Verein „Interkunst“, und was die Verhandlungen mit ausländischen Visastellen betrifft, hat er mittlerweile Borsten auf den Zähnen. Auch diesmal schafft er es in letzter Minute, die russischen Künstler für die „Instant acts gegen Gewalt und Rassismus“ nach Berlin auszuschleusen.

Dellers hat damit ein Problem weniger, aber die eigentlichen Schwierigkeiten fangen erst an. Wenn nämlich aus ganz Europa und Übersee die von ihm und seinen Mitarbeitern eingeladenen Musiker, Schauspieler und Performance-Künstler in die Stadt strömen, gibt es nur eine Gemeinsamkeit, und das ist das Thema für ihren Auftritt: „Instant acts gegen Gewalt und Rassismus“. Hinter den sogenannten acts verbergen sich zehn- bis zwanzigminütige Aufführungen, die zusammen knapp zwei Stunden Programm ergeben. Nur einen Tag lang ist in der Regel Probenzeit, danach geht die Multikulti-Gruppe auf Tournee durch die Theater, Jugendzentren und Schulen in Ostdeutschland und Berlin. Dort zeigt sie den Kids, was sie zum Thema Ausländerfeindlichkeit zu sagen hat: Musik aus Brasilien, polnische Underground-Performance oder Action- painting aus Kiew, nicht zu vergessen den Rap aus Petersburg.

„Mit so wenig Probenzeit ist so eine Tournee immer ein Risiko“, sagt Dellers. Die meisten Auftritte der Künstler kennt er nur vom Demo-Video, und nicht immer hält der Live-Auftritt, was der Film verspricht. Spätestens dann kommt Improvisation ins Spiel: Eine irische Gruppe zum Beispiel, die ihren instant act auf englisch aufführte, studierte innerhalb von einer Nacht die deutsche Version ein, um von den Kids überhaupt verstanden zu werden.

„Die acts funktionieren so ähnlich wie Kurzgeschichten. Es gibt ein Thema, aber man muß kein Stück schreiben“, beschreibt Dellers das Konzept der instant acts. Vieles entstehe spontan, und manchmal würden während einer Tournee auch neue Stücke entwickelt, etwa wenn die Performance- Gruppe aus Montpelier mit den Action-paintern aus Kiew kooperiere.

Wichtig ist für Dellers dabei auch die Unterstützung junger, unbekannter Künstler. „Wir geben ihnen die Möglichkeit aufzutreten, und das zu einem total wichtigen Thema.“ Viel jugendlicher Idealismus ist auf jeden Fall nötig, denn die Gage läßt wenig Platz für Träume: Ein paar hundert Mark Aufwandsentschädigung und die Fahrtkosten bekommen die Künstler in der Regel für eine Tourneewoche bezahlt. Dellers würde gerne mehr bezahlen, aber der Verein hängt genauso wie die meisten kulturellen Projekte an der immer dünner werdenden Nabelschnur der öffentlichen Mittel. Immerhin hat der Senat dem Verein im Dezember letzten Jahres mit einem Schlag zehn ABM-Stellen beschert. Diese neuen Mitarbeiter stapeln sich jetzt zusammen mit der Stammbesetzung auf engstem Büroraum.

Expansionsgedanken werden schon seit längerem geschmiedet, wenn auch auf anderem Gebiet: Zum ersten Mal tourten die „Interkünstler“ Anfang Mai nicht nur durch neudeutsche Lande, sondern traten auch mit viel Erfolg in Holland auf. Ihrem Traum, den Kids europaweit ihre instant acts zu zeigen, ist „Interkunst“ damit das erste Mal ein bißchen näher gerückt.