Fahrradkorso gegen Innenstadtring

■ Am 5. Juni finden zahlreiche Straßenfeste entlang des Rings statt, die Treff für Sternfahrer und Start für eine Menschenkette sind / Nicht mitzumachen wäre affig, meint die "Bürgerinitiative...

Dieses Jahr findet am Sonntag, dem 5. Juni, die 18. Sternfahrt der Grünen Radler Berlin (GRB) zusammen mit der Initiative „Mobil ohne Auto“ und der „Bürgerinitiative Innenstadtring“ statt. Weiter unterstützen der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie die Stiftung Naturschutz und das Umweltbundesamt (UBA) diese Aktion.

Bereits vor zwei Jahren hatte es kurz vor den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen eine riesige Demonstration gegen den Innenstadtring gegeben. Rund 20.000 Berliner hatten sich damals beteiligt. Wie in diesem Jahr hatte eine große Zahl von Initiativen und Organisationen zum Protest aufgerufen und sich an den verschiedenen Programmpunkten beteiligt.

Für den ersten Juni-Sonntag ist nun geplant, von verschiedenen Punkten am Stadtrand Berlins, so von Frohnau gegen 12 Uhr und der Alt-Lichtenrader Kirche um halb eins, loszufahren, um gegen 15 Uhr, sternförmig kommend, bei den seit 14 Uhr laufenden Straßenfesten auf dem Innenstadtring einzutreffen. Dort können sich die Radler erst mal stärken. Um 17 Uhr soll dann eine Menschenkette aus Fußgängern und Fahrradfahrern um den Innenstadtring herum gebildet werden.

Wunsch der Koordinatoren ist, daß diese wenigstens an den am heftigsten umstrittenen Punkten der Stadtverkehrspolitik, der Oberbaumbrücke und der Entlastungsstraße „Tiergartentunnel“ zustande kommt.

Ein richtiges Kiezfest mit türkischen Gruppen

Johannes Pernkopf, Mitglied in der Bürgerinitiative Innenstadtring und Koordinator für den Kreuzberger Kiez, verspricht „Live-Musik, Theater, Spiele für die Kinder und genügend zu essen und zu trinken. Informieren kann man sich an den verschiedenen Ständen natürlich auch, oder einfach nur Spaß haben am Radfahren und Zusammensitzen bei gutem Wetter.“

Ein richtiges Kiezfest solle es werden, „auch mit türkischen Gruppen, da die Öffnung des Innenstadtrings ja schließlich alle Anwohner und die Wohnqualität im Kiez betrifft. So können auch mehr Leute mobilisiert werden.“

Pernkopf selbst wünscht sich, „noch Leute und Initiativen für ein Straßenfest am Halleschen Tor zu finden“ – das sei allerdings schwer, weil die Gegend so unbewohnt wirke.

Leute lassen sich nicht zweimal motivieren

„Seit zwei Jahren nun wird mit den anderen Initiativen gefeiert, da es ja affig ist, nicht mitzumachen, wenn man doch die gleichen Ziele verfolgt. Außerdem ist es schwer, die Leute zweimal kurz hintereinander zu mobilisieren.“

„Vor 18 Jahren ist der ursprüngliche Initiator der Fahrradsternfahrt die Bürgerinitiative Westtangente gewesen“, so Wolfgang Korschel, eines der dienstältesten Mitglieder des Vereins Grüne Radler Berlin, der die Fahrradsternfahrt dann später übernommen hatte. „Bis vor fünf Jahren hat das anschließende Fest immer auf der Reichstagswiese stattgefunden, doch die steigende Miete für diesen Ort hat es unmöglich gemacht, dort wieder zu feiern.“

Da bot der Innenstadtring sich an, um so durch den Zusammenschluß mit anderen Initiativen eine größere Masse zu erreichen. Das gleichzeitig am Bismarckplatz stattfindende Fest des Umweltbundesamtes zum „Tag der Umwelt“ liege ihnen zu weit außerhalb der betroffenen Innenstadt.

Die Stiftung Naturschutz Berlin, finanzielle Unterstützerin der Aktionen, wird allerdings am Bismarckplatz zu finden sein, so Geschäftsführer Klaus-Dieter Heise.

„Die Ökolaube und andere eigene Projekte werden vorgestellt an diesem Tag der Umwelt. Die Bewag wird zum Beispiel mit einem Infostand vertreten sein, Bier und Würstchen wird es geben, all das begleitet von Live-Musik.“

Bewag mit Bier und Würstchen mittendrin

„Der BUND“, so Felix Beutler, Koordinator für der Bereich Tiergarten, „wird dort das Straßenfest organisieren – und natürlich auch mitradeln.“ Man hofft auf große Resonanz in der überregionalen Presse – die optimistischen Erwartungen liegen bei einer Million Teilnehmer bundesweit – da die Initiative Mobil ohne Auto versuche, für diesen Tag auf überregionaler Ebene zu mobilisieren, mit Schwerpunkt in Berlin. Bei der Radtour an der Mosel im letzten Jahr sei immerhin Scharping mitgeradelt. Ob sich allerdings Diepgen am 5. Juni aufs Stahlroß schwingen wird, da ist Beutler eher skeptisch.

Bezirks-SPD von der Landespartei enttäuscht

Fraglich ist auch, ob sich erneut Sozialdemokraten an dem Protest beteiligen werden. Vor zwei Jahren hatten sich SPDler aus den betroffenen Bezirken noch gegen den Innenstadtring stark gemacht. Sie fühlten sich von der Landespartei im Stich gelassen, die der Schließung in der Koalitionsvereinbarung mit der CDU zugestimmt hatte.

Kurz vor der Großdemonstration hatte sich zudem die verkehrspolitische Sprecherin der SPD, Käthe Zillbach, wegen eines damals veröffentlichten Gutachtens zur Luft- und Lärmbelastung durch den Autoverkehr in der Innenstadt mit einem Mal gegen die Verbindung von Skalitzer Straße, Warschauer Straße, Dimitroffstraße, Invalidenstraße und dem Tiergarten ausgesprochen. Doch ihr Widerspruch verschwand in der Versenkung und ward seither nicht mehr gesehen.

Dabei waren die Ergebnisse deutlich: Die Stickstoffdioxidwerte lagen auf zwei Dritteln des 260 Kilometer langen Hauptverkehrsstraßennetzes über dem europäischen „Alarmwert“ von 135 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Und der Lärmrichtwert wurde in nahezu allen Hauptstraßen sowohl tagsüber als auch nachts überschritten. So war der Rückzug Zillbachs vor allem für die Anwohner der ohnehin belasteten Straßen enttäuschend. Sie befürchten, daß die Blechlawinen noch anwachsen, daß die Wohnqualität rapide weiter sinkt.

Eine Stauzeitung und alternative Strafzettel

Wiebke Priehm, Sprecherin des Arbeitskreises Verkehr in der BUND-Jugend: „Wir planen in der Woche vor dem 5. Juni Aktionen. Eine Stauzeitung wird verteilt werden an bekannten Staupunkten der Stadt, und Strafzettel wegen Verstößen gegen die Umwelt werden ausgeschrieben.“

Ulrich Amthor, Vorsitzender des ADFC, führt die verkehrspolitischen Forderungen seines Vereins aus, die weitestgehend mit denen der anderen Initiatoren übereinstimmen: „Der Berliner Senat setzt die falschen politischen Zeichen für den Bürger. Das Autofahren wird attraktiver gemacht, durch immer neue Straßenausbauten, während die Fußgänger und Fahrradfahrer als schwächere Teilnehmer im Verkehr diesem Verdrängungskampf weichen müssen.“

In Berlin werde an keinem Großprojekt für das Auto gespart, wohl aber an den umweltfreundlicheren Alternativen des öffentlichen Nahverkehrs. Das Motto des Senates sei ganz eindeutig: Mobil mit Auto.

Alternativen kommen für Senat nicht in Betracht

Alternativen zu diesem Autowahn, wie sie in holländischen Städten vorgelebt würden, würden hier nicht einmal in Betracht gezogen. In der Berliner Realität kämpfe man schon um den Erhalt der Tempo-30-Zonen und sei froh, daß man vernünftige und sichere Fahrradspuren wie zum Beispiel auf dem Südwestkorso oder auf der Putlitzbrücke habe.

„Obwohl in Untersuchungen festgestellt worden ist, daß diese Art von Fahrradwegen, bei der ein Teil der Fahrbahn markiert und mit Piktogrammen versehen wird, eine sichere und preiswerte Alternative ist, baut der Berliner Senat immer noch den klassischen Typ des Fahrradweges auf dem Bürgersteig. Schlechte Sichtbarkeit und damit verbundene Gefahren an den Kreuzungen sind die Folge“, so Amthor.

Mit Tempo 30 wäre Berlin bewohnbarer

Flächendeckend Tempo 30 und mehr Geld für Fahrradwege und den öffentlichen Nahverkehr seien die Hauptforderungen des ADFC. Großprojekte wie der Tiergartentunnel und der Innenstadtring sollten ersatzlos gestrichen werden, und der autofahrende Bürger solle zum Umdenken angeregt werden. „Denn“, so Amthor, „die Stadt wäre leiser, abgasärmer, sicherer und bewohnbarer ohne Autos.“ Eva Blank/ca/diak