■ Führt Rinderwahnsinn zum Handelskrieg?
: Frau Shephards Erschrecken

Mit der Androhung eines Handelskrieges für den Fall, daß Deutschland einen Importstopp von britischem Rindfleisch verhänge, hat die Londoner Landwirtschaftsministerin Gillian Shephard es nun auch offiziell bestätigt: Es geht der britischen Regierung nicht im geringsten um die Frage, inwieweit britisches Rindfleisch vom Erreger des Rinderwahnsinns (BSE) befallen ist, sondern einzig um die Verteidigung der Exportmärkte. Zwar ist der Rindfleischexport nach Deutschland für die britische Landwirtschaft bedeutungslos, doch befürchtet man, daß ein deutscher Alleingang Signalwirkung haben könnte.

Den Londoner PolitikerInnen ist an einer Untersuchung der Rinderseuche nicht gelegen. Sämtliche Programme, die von der Regierung finanziert werden, sind auf Vertuschung angelegt. Das Ergebnis einer Untersuchung über die Ansteckungsgefahr beim Genuß von Rindergewebe ist bis heute geheim. Andere Untersuchungen sind von Anfang an unterdrückt worden. So ist noch immer unbekannt, ob sich der Erreger durch den Verzehr von Muskelfleisch beim Menschen ansammelt und schließlich die BSE-verwandte Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auslöst, wie einige Wissenschaftler vermuten; niemand weiß, ob der Erreger schon in der ersten Phase nach der Ansteckung die Artenbarriere überspringen kann; wir wissen nicht einmal, wieviele Rinder eigentlich an der Seuche erkrankt sind. Die Schätzung eines Mikrobiologen der Universität York, daß 83 bis 90 Prozent der infizierten Tiere auf dem Mittagstisch landen, ist erschreckend.

Die britische Regierung erschrickt dagegen bei der Vorstellung, welchen Schaden die Berichte über den Rinderwahnsinn in der britischen Landwirtschaft anrichten können. Der Nachweis selbst einer geringen Menge des Erregers im Muskelfleisch würde den Markt zusammenbrechen lassen. Die Lobby der Fleisch- und Milchproduzenten ist jedoch äußerst mächtig und verhindert die notwendigen Untersuchungen über BSE. Erst recht keine Gedanken macht sich die Regierung über die Massentierhaltung, die den Ausbruch und die Verbreitung der Seuche erst ermöglicht hat.

Aufgrund der verschlungenen Wege, die Rinder und Rindfleisch in Europa nehmen, ist ein rigoroser Importstopp – so schwer er zu kontrollieren ist – die einzige Möglichkeit des Verbraucherschutzes. Dafür gebührt Gesundheitsminister Horst Seehofer Lob. Man muß aber auch dankbar sein, daß in Deutschland in diesem Jahr so viel gewählt wird. Würde es Seehofer sonst auf einen Handelskrieg ankommen lassen? Ralf Sotscheck