Boris Jelzin setzt auf die KSZE

■ Kohl feiert Präsidentenbesuch als großen Erfolg

Bonn (dpa/AP) – Neben den protokollarischen Fragen beim Abschied der russischen Truppen spielte beim Besuch des russischen Präsidenten in Bonn vor allem die künftige Rolle des Landes gegenüber der Nato eine zentrale Rolle. Jelzin machte in Bonn klar, daß aus russischer Sicht die „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) deutlich über der Nato eingeordnet werden müsse. Die Zielrichtung, möglichst die Nato in den Hintergrund zu schieben und selbst eine entscheidende Rolle in einer schlagkräftigeren KSZE zu übernehmen, war für die Bonner Diplomaten keine Überraschung. Neu erschien den Experten dagegen die Offenheit, mit der Präsident Boris Jelzin und Außenminister Andrej Kosyrew ihre Forderung anmeldeten, daß Rußland auch sicherheitspolitisch mit „Sie“ angesprochen werden müsse.

Jelzin, der gestern abschließend Bundesaußenminister Klaus Kinkel im Gästehaus auf dem Petersberg zum Frühstück empfing, fordert ein Zusatzprotokoll, bevor er das Nato-Konzept der „Partnerschaft für den Frieden“ unterschreibt, was eigentlich schon für den 21. April vorgesehen war. Diplomaten in Bonn sahen darin den Versuch Moskaus, auch als Nicht- Vollmitglied der Nato ausdrücklich den Status der anderen Supermacht bescheinigt zu bekommen. Das Zusatzprotokoll wäre dann die dritte – und nicht vorgesehene – Akte der Partnerschaft, die gegenüber jedem Staat auf einem Rahmenabkommen und einer maßgeschneiderten bilateralen Vereinbarung beruht. Große Wirkung versprechen sich die Russen offensichtlich auch von der KSZE- Gipfelkonferenz der 52 Staats- und Regierungschefs, die im Dezember in Budapest stattfindet. Auch das war überraschend für die Bonner Diplomaten, daß der russische Präsident jetzt schon eine Art Friedens-Superdeklaration für den Gipfel ankündigte, für die Rußland den Anstoß geben wolle. Außenminister Kinkel betrachtete die gestern tagende Bosnien-Konferenz in Genf als besonders gute Gelegenheit, um die drei wichtigsten West-Partner, die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich, innerhalb von Stunden persönlich über die Jelzin-Visite zu informieren.

So konnte einem möglichen Eindruck von überbordender Ostfreundlichkeit Bonns entgegengewirkt werden. Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der enormen Investitionen an Zeit und Aufmerksamkeit für seinen russischen Amtskollegen seit vielen Monaten wollte Kinkel nicht aufkommen lassen. Im Deutschlandfunk hielt er dagegen, das Verhältnis habe sich weiter „vertieft und verstärkt“.