Golfkrieg im Sherwood Forest Von Ralf Sotscheck

Wenn das berüchtigte englische Fair play mit einer zutiefst gekränkten Eitelkeit kollidierte, hat man sich früher im Morgengrauen duelliert. Heute zieht man vor die Gerichte. Ob das ein Beweis für eine höhere Zivilisationsform ist, muß stark bezweifelt werden. Nehmen wir zum Beispiel Golf: Nirgendwo legen die Engländer mehr Wert auf Fair play als bei dieser noch immer exklusiven Sportart. Daß eine Runde aber umgerechnet 700.000 Mark kosten kann, ist auch dort ungewöhnlich.

Es geschah im Jahr 1990 bei den Vereinsmeisterschaften des Sherwood Forest Golf Club in Nottinghamshire. In der Nähe hatte dereinst Robin Hood gewirkt, der Rächer der Enterbten. Von ganz anderer Gesinnung ist offenbar der 57jährige John Buckingham, ein furchtbar mittelmäßiger Golfspieler, der bei den Meisterschaften die erste Runde mit seinem Clubkameraden Reginald Dove spielen mußte. Es ging um ein Preisgeld von 15 Pfund, also rund 40 Mark. Über das, was unterwegs passierte, gibt es zwei Versionen, die vier Jahre lang die Gerichte beschäftigt haben. Dove behauptete, daß Buckingham jedesmal einen neuen Golfball durch ein Loch in der Hosentasche in eine überaus günstige Position rollen ließ, wenn sein Originalball irgendwo im Dickicht verschwunden war. Außerdem hätte er den Ball manchmal mit einem Fußtritt — dem „ledernen Schläger“, wie Dove es sarkastisch nannte — in eine bessere Lage befördert. Dove wartete mit seinen Anschuldigungen allerdings fünf Wochen, weil er „geschockt und verwirrt“ war und das Geschehen erst mal verdauen mußte. Buckingham bestritt alles.

Manche Leute sagen, daß beim Golf das Schwein im Menschen ans Licht komme, doch es gibt legendäre Gegenbeispiele: Bobby Jones, der angeblich beste Golfer aller Zeiten, verpaßte einmal den Sieg, weil er einen Regelverstoß zugegeben und sich selbst mit Strafpunkten belegt hatte. Als er dafür gelobt wurde, erwiderte er schroff: „Das ist das gleiche, als wenn man jemanden dafür lobt, daß er keine Bank überfallen hat.“ Sein Profikollege Phil Parkin trieb die Ehrlichkeit bis an die Schmerzgrenze. Er hatte seinem kleinen Sohn einen noch kleineren Holzschläger gebastelt, den dieser in der Golftasche seines Vaters verstaute. Als Parkin den Mini- Schläger mitten im nächsten Turnier entdeckte, meldete er das umgehend der Turnierleitung, weil ein Spieler laut Regel nur 14 Schläger bei sich haben darf. Der Sieg war futsch.

Doch zurück zum Sherwood Forest: Der Disziplinarausschuß des Golfclubs entschied, daß Buckingham nicht geschummelt hatte. Weil Dove und Rusk jedoch eine Entschuldigung verweigerten, zerrte Buckingham sie durch sämtliche gerichtliche Instanzen. Nach seiner Niederlage muß er nun die Gerichtskosten in Höhe von 250.000 Pfund berappen. Es war der erste Fall dieser Art in der Golfgeschichte. Der Richter, selbst ein Golfspieler, hatte Sinn für Humor: Auf die Anklagebank stellte er eine Golftasche. Buckinghams Belustigung hielt sich jedoch in Grenzen. Vielleicht sollte er auf Minigolf umsteigen. Das ist irgendwie übersichtlicher und vor allem billiger. Schade, daß Robin Hood nicht mehr aktiv ist. Da die drei Golfer blöd genug waren, ein Vermögen wegen einer Entschuldigung zu riskieren, wären sie wahrscheinlich eine leichte Beute für ihn gewesen.