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Golfkrieg-Syndrom bleibt mysteriös

■ Betroffene glauben, C- oder B-Waffen sind verantwortlich

Etwa dreißigtausend im Golfkrieg eingesetzte US-Soldaten leiden inzwischen an dem noch immer ungeklärten Persischen Golfkrieg-Syndrom (PGS). Ein dreitägiger Workshop von Spezialisten, der vergangene Woche in den USA stattfand, brachte erneut keine Klarheit über die Ursache der Krankheit. Über eine mögliche Vergiftung durch chemische oder biologische Waffen wird weiter spekuliert.

Die Mediziner beschrieben ein komplexes Krankheitsbild mit vielfachen Symptomen. Jeder zwanzigste US-Soldat ist betroffen. Die am häufigsten beobachteten Symptome sind, wie die medizinische Fachzeitschrift Lancet berichtet, chronische Müdigkeit, Gedächtnisverlust, Kopfschmerzen, Muskel- und Bauchschmerzen, Kurzatmigkeit und andere Atemwegs- und Magen-Darm- Probleme. Rund siebzig Prozent der an PGS erkrankten Soldaten zeigen sich bei Tests überempfindlich gegen Chemikalien. Dies wurde auf dem Expertentreffen besonders herausgestellt. Aber nicht nur die Soldaten, auch ihre Frauen und Kinder fühlen sich krank mit ähnlichen Beschwerden.

Schon während des Golfkrieges war über Durchfallerkrankungen bei 57 Prozent der US-Soldaten berichtet worden. Auch Malariainfektionen, Haut- und Augenreizungen wurden häufig diagnostiziert. Die Krankheitshäufigkeit wurde damals mit den allgemeinen Streßbedingungen des Krieges sowie mit der Umstellung auf das Wüstenklima erklärt. Auch die schwierige Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln wurde verantwortlich gemacht.

Für die PGS-Krankheit sind solche Erklärungsversuche aber unzureichend. Von den Ärzten und Wissenschaftlern wurde jetzt eine Reihe zusätzlicher Belastungen genannt, denen die Soldaten ausgesetzt waren: An erster Stelle steht dabei die Angst vor dem Krieg, vor Verletzungen und Tod. Der Brand von mehr als siebenhundert Ölquellen hat erhebliche petrochemische Giftwolken verursacht. Zudem wurden die US-Soldaten sieben Tage lang mit Pyridostigmin behandelt, ein Mittel, das ihnen vorsorglich als Schutz für einen Giftgas-Angriff des Iraks verabreicht wurde.

Die Soldaten und ihre Familienangehörigen selbst glauben nach wie vor, daß ihre Erkrankung durch chemische oder biologische Kampfstoffe verursacht wurde. Mehrfach sei während des Krieges Giftgas-Alarm ausgelöst worden. Am 19. Januar 1991 hatten tschechische Chemiker Spuren des Nervengases Sarin gemessen, am 24. Januar Spuren von Senfgas. US- Militärs bestreiten dies. Dennis Ross vom US-Militär-Geheimdienst sprach auf dem Workshop von „anekdotischen“ und „sehr zweifelhaften“ Berichten. Auch das Bombardement der Chemiewaffenfabrik in Nasiriyah wollte Ross wegen der großen Entfernung zu den US-Truppen als Ursache ausschließen.

Verärgert reagierten die Mediziner auf die schleppende Arbeit des US-Verteidigungsministeriums. Die versprochene Untersuchung über mögliche PGS-Ursachen kommt nicht voran. Die Mediziner wollen jetzt Gesundheitsfragebögen an alle 700.000 Kriegsteilnehmer der Alliierten verteilen und systematische Fall-Kontroll- Studien durchführen. Manfred Kriener

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