Mehr Demokratie in Bayern?

■ CSU befürwortet nach langem Sträuben kommunalen Bürgerentscheid / Heraus kam eine „Mogelpackung“

Nürnberg (taz) – Die CSU hat das Taktieren nicht verlernt. Um der bislang erfolreichen überparteilichen Initiative „Mehr Demokratie in Bayern“ den Wind aus den Segeln zu nehmen, vollzog die gebeutelte Regierungspartei eine Kehrtwendung. Sie befürwortet nun grundsätzlich mehr direkte Demokratie in den Kommunen. Doch der Teufel liegt im Detail: Die CSU will die Latte für den Erfolg eines Bürgerentscheids so hoch ansetzen, daß sie kaum zu überwinden ist.

Die Bürgeraktion „Mehr Demokratie in Bayern“ hatte bislang leichtes Spiel. Schnell schlossen sich Naturschutzverbände, SPD, Grüne und kirchliche Gruppierungen der Initiative an, die im Freistaat über ein Volksbegehren den kommunalen Bürgerentscheid in Städten, Gemeinden und Landkreisen durchsetzen will. Die bloße Beteiligung an kommunalen Entscheidungen über die nur alle sechs Jahre stattfindenden Kommunalwahlen, die Vielzahl von Bestechungsskandalen in den Rathäusern und die Amigo-Affären auf Landesebene bescherten der Initiative einen beträchtlichen Zulauf. Die erste Etappe für die Zulassung eines Volksbegehrens war mit dem Sammeln von 32.000 Unterschriften ebenfalls geschafft.

Unter diesem Druck gab die CSU ihren jahrelangen Widerstand gegen einen Bürgerentscheid auf. Hatte 1991 der damalige Innenminister und heutige Ministerpräsident Edmund Stoiber die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene als „aus Gründen der repräsentativen Demokratie einfach abzulehnen“ zurückgewiesen, formulierten CSU-Kommunal- und Landtagspolitiker nun einen eigenen Vorschlag. „Die CSU hat Angst nicht mehr gewählt zu werden“, begründet offenherzig der Landshuter Oberbürgermeister und Chef des Bayerischen Städtetages, Josef Deimer (CSU), das Vorgehen seiner Partei. Er warnte vor einem „Schnellschuß“.

Doch was die CSU nun als eigenen Entwurf verkauft, bezeichnet Thomas Mayer, Vertrauensmann von „Mehr Demokratie in Bayern“, schlichtweg als „Mogelpackung“. Sein Widerstand richtet sich vor allem gegen das im CSU- Entwurf vorgesehene Zustimmungsquorum von 25 Prozent. Demnach müßten ein Viertel der Wahlberechtigten im Bürgerentscheid mit „Ja“ stimmen, damit er überhaupt gültig ist. Bei einer geringen Wahlbeteiligung wäre ein solcher Bürgerentscheid von vornherein zum Scheitern verurteilt. Mayer rechnet vor, daß mit diesem Quorum fast alle bisherigen Volksabstimmungen in Bayern gescheitert wären. Und nicht nur dort. Mehr als die Hälfte aller erfolgreichen Volksabstimmungen in der Schweiz hätten die Hürde nicht geschafft. Aber in der Schweiz gibt es kein Zustimmungsquorum, dort entscheidet die einfache Mehrheit. Genau das will auch „Mehr Demokratie in Bayern“ durchsetzen. Und genau das hatte der Bayerische Verfassungsgerichtshof schon 1949 in einem Grundsatzurteil für Volksentscheide auf Landesebene festgelegt.

Doch die CSU wäre nicht die CSU, hätte sie der direkten kommunalen Demokratie nicht noch mehr Steine in den Weg gelegt. So sollen alle Entscheidungen, zu denen es gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungs- und Anhörungsverfahren gibt, vom Bürgerentscheid ausgeschlossen werden. Alle Großprojekte, alle Bauleitpläne, alle Müllverbrennungsanlagen oder Gemeinde- und Kreisstraßen wären damit dem direkten Bürgerwillen entzogen. Die CSU will auch, daß ein Bürgerbegehren binnen vier Wochen nach Bekanntgabe eines Gemeinderatsbeschlusses eingereicht sein muß und daß ihm jegliche aufschiebende Wirkung fehlen soll. Der beliebten „Schaffung von vollendeten Tatsachen“ wäre damit Tür und Tor geöffnet, Bürgerentscheide könnten damit „unterlaufen“ werden, argumentiert da Thomas Mayer.

Angesichts dieser „Scheinlösungen und faulen Kompromisse“ will seine Bürgeraktion nicht klein beigeben und setzt weiterhin auf den Volksentscheid. Die CSU muß sich derweil noch mit dem Widerstand ihrer eigenen Kommunalpolitiker herumschlagen. Viele können die Kursänderung der eigenen Partei nicht recht nachvollziehen und wähnen die Anarchie auf kommunaler Ebene auf dem Vormarsch. Selbst der Bayerische Städtetag ist sich über die Einführung des Bürgerentscheids nicht einig, die CSU-Bürgermeister waren gespalten. Bernd Siegler