Die Rückkehr des Rausschmeißers

■ Der Stein des Anstoßes ist wieder da: Der unverbesserliche Ulrich St. steht künftig wieder im Tor des HSV

Neulich beim Frühstück haben wir uns noch gefragt, was wohl aus Uli Stein werden wird. Blickten uns doch seine kernigen Augen – klar, da er nicht lächelte – zwischen Schokocroissants und Vollkornbrötchen von der Rückseite der Milchtüte entgegen. Unter Ulis markigem Gesicht stand: „Mit Tetra-Pack und Uli Stein nach Amerika zur WM 1994.“ Wir kombinierten, daß a.) die Verfasser der Tütentexte entweder echte Fans sind, für die Wahrscheinlichkeit nichts und Hoffnung alles bedeutet oder b.) der Festlegung des Verpackungsdesigns eine unheimlich langwierige Produktionsphase folgen muß oder c.) unsere Milch den joghurtigen Zustand bereits weit überschritten hat.

Schließlich ist nicht nur Insidern seit langem klar, daß Uli Stein in diesem Leben an keiner Fuballweltmeisterschaft mehr aktiv teilnehmen wird. Dafür kehrt der Trotzkopf mit dem längsten Rausschmiß-Register der Liga nach sechsjähriger Abwesenheit zurück zum HSV. Gestern um 14.00 Uhr wurde die Reintegration des Typs mit den biegsamen Gräten in die Gemeinde am Volkspark schriftlich besiegelt. Zwei Jahre wird Uli Stein, der so cool hält wie Clint Eastwood schießt, die Fans mit der ebenso effektiven wie minimalistischen – die Abneigung gegen jeden übertriebenen Einsatz garantiert dem fast 40jährigen Leistungssportler noch heute eine hervorragende Kondition – Ausübung seiner Kunst erfreuen.

Das wird auch Klaus von Dohnanyi glücklich machen. Denn 1987, als Uli wegen seines Kinnhakens gegen Bayern-Stürmer Jürgen Wegmann (Supercup HSV-Bayern 1:2) aus dem blau-weißen Kader geschmissen werden sollte, verwendete sich der damalige erste Bürgermeister auf einem Rathausempfang für den Querschläger: „Holen Sie Uli Stein zurück in die Mannschaft. Er gehört zum HSV wie der Michel zur Stadt“, insistierte der Stadtoberste mit dem Herz für Individualisten damals glühend – und vergeblich. Der Stein wurde als zu schwer befunden und geschaßt.

HSV-Trainer Benno Möhlmann, der direkt nach Steins Rauswurf als Mittelfeldspieler von Bremen zum HSV kam, hofft, zwei Jahre nur Vorteile aus den Steinschen Qualitäten ziehen zu können, denn unangenehm aufgefallen sei der Tormann „immer erst nach fünf, sechs Jahren bei einem Verein.“ Irgendwie traurig könnte dieses Bekenntnis des 39jährigen Trainers vor allem einen stimmen: Richard „Richie“ Golz, die noch-Nummer-Eins im hanseatischen Tor. Doch auch Richie bekundet, sich auf die Herausforderung durch Stein zu freuen. Schließlich verkündete Möhlmann jüngst, „der größte Golz-Fan beim HSV“ zu sein. Ist Uli Stein dann nicht eine lebende Beleidigung für den Zwei-Meter-Mann zwischen den Pfosten der Elbequipe? Wird Golz nicht vielleicht doch zu St. Pauli wechseln?

Nicht, wenn er das besitzt, was seinem Konkurrenten abgeht: Gelassenheit nämlich. Bis der 26jhrige Richard Golz so alt wird, wie Uli Stein jetzt ist, erreicht ein Neugeborenes die Pubertät. Was sind da schon zwei Jahre?

Claudia Thomsen