Blindflug der Adler

■ Volleyball-Weltliga: Herbe Schlappen gegen Niederlande

Wuppertal (taz) – Wenn der Deutsche Volleyball Verband (DVV) seine Herren-Nationalmannschaft bei Weltligaspielen an den Start schickt, hat er ein umfangreiches Regelwerk des Weltverbandes FIVB zu beachten. Zu den Anforderungen gehört etwa, daß alle zwölf Teilnehmer mit einem battle name antreten müssen. Vielleicht in freudiger Erwartung volleyballerischer Weltliga-Höhenflüge haben die Deutschen ihr Team „German Eagles“ getauft. Doch die stolzen Adler erlebten am Wochenende mit 0:3 (3:15, 8:15, 4:15) und 1:3 (15:12, 4:15, 4:15, 9:15) zwei ernüchternde Bruchlandungen gegen die übermächtigen Niederländer.

Um mit jener Weltliga, 1990 vom FIVB-Präsidenten Ruben Acosta (60) ins Leben gerufen und in diesem Jahr mit insgesamt sechs Millionen Dollar Preisgeld dotiert, die Popularität des Volleyballs in der Welt zu fördern, haben sich die internationalen Pritschfunktionäre der totalen Telegenisierung ihres Sports verschrieben, so daß der große Bruder Fernsehen überall in der Weltliga so genau hinschauen darf wie sonst selten.

Der gutmütige Bundestrainer Igor Prielozny (36) etwa muß sich während aller Auszeiten mit jenem penetranten Kameramann abfinden, der mit Linse und Mikrofon unerbittlich in den intimen Kreis der Riesen eindringt, um ein Maximum an Authentizität in die Wohnzimmer zu transferieren. Gerade bei der deftigen 0:3-Niederlage am Samstag habe ihn das eine gehörige Portion Selbstkontrolle gekostet, konzediert Prielozny, „denn wenn ich mal fluchen will, muß ich natürlich aufpassen“.

Ungeachtet aller sportlichen Qualifikationen dürfen in der Weltliga allein jene Nationen starten, die neben einem 250.000-Dollar-Sponsor für die FIVB auch noch eine 100.000 Dollar zahlungsbereite Fernsehanstalt an den großen Weltverbandstopf bringen. Weil der Volleyball-Stellenwert in Deutschland jedoch den ehrgeizigen Idealen des Mexikaners Acosta noch weit hinterherhinkt, muß der DVV das Deutsche Sport Fernsehen (DSF) mit 25.000 Mark subventionieren, um sich überhaupt für die Exklusiv-Liga der FIVB zu qualifizieren, weil das DSF die ganze Summe alleine nicht aufbringt.

Für den Sender, der beim Volleyball Höchstquoten von maximal 300.000 ZuschauerInnen erzielt, eröffnen sich bei der Berichterstattung vielfältige Möglichkeiten: Der erste Schiedsrichter hat bei allen Weltligaspielen eine rote Alarmleuchte vor sich, die ihm auf Geheiß des regieführenden DSF- Redakteurs bis zu viermal pro Satz signalisiert, den Aufschlag gefälligst um sieben Sekunden zu verzögern, damit der Sender seine Zeitlupe in Ruhe einstreuen kann. Bei den Punktständen 5 und 10 hat er in jedem Satz zudem eine technische Auszeit zugunsten des DSF zu nehmen, damit dieses eine Minute Werbung senden kann.

Allerdings ist Acosta hier dem Fernseh-Volleyballzeitalter in Deutschland noch Lichtjahre voraus, denn das tapfere DSF hatte gegen die Holländer am Samstag gerade einmal Werbungs-Buchungen von fünf Minuten insgesamt. Wie für den privaten Sportsender klaffen auch für den fleißigen Prielozny derzeit Weltligaelite-Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander, „weil ich immer drei Leute auf dem Feld habe, die ihre ersten internationalen Erfahrungen sammeln“. Aus seiner Halbprofi-Erfolgsmannschaft des letzten Jahres fehlen ihm der Moerser Bergmann sowie die Berliner Stützen Triller und Hölzig aus privaten Gründen, deren Vereinskollege Dellnitz verletzungsbedingt, und Nachwuchsmann Liefke spielt höchstens nochmal gegen Kuba, um sich danach zuvorderst wieder seiner studentischen BWL-Ausbildung zu widmen.

Geknickt gestand Prielozny daher, „daß wir seit 1991 stagnieren: Wir haben zwar den Abstand nach unten, zu Finnland oder Schweden, vergrößert, sind aber keinen Deut näher an die besten europäischen Mannschaften vor uns herangekommen.“ Nach dem aufwärtstrendigen 1:3 am Sonntag war der Slowake dann schon etwas versöhnter als am Vortag, als er sich mit seinen Eagles zwar battle name-adäquat, aber für ihn doch mit einer ungewohnt martialischen Metapher „abgeschlachtet“ fühlte. Jenes äußerte der telegene Gentleman freilich erst, als die Berufsvoyeure des DSF ihre livehaftige Tagestätigkeit bereits lange beendet hatten. Jörg Winterfeldt