Unterwäschereform

■ Mit erfundenen Geschichten und in holprigem Deutsch will die Bundeswehr ihre jungen Soldaten unterhalten

„Deutsche Kriegsgräberpflege in Stalingrad“, „Auf heißen Reifen durch Somalia“ und „Deutsche Tornados für humanitäre Kriege“. Titel und Themen aus den Truppenzeitschriften Heer, Luftwaffe und Blaue Jungs. Mit den bunten Monatsblättern will das Verteidigungsministerium die niedrigen Dienstgrade in der Bundeswehr erreichen, vor allem die Wehrpflichtigen. Die Auflage: insgesamt 80.000 Exemplare.

Dabei können die Druckwerke weder durch Rechtschreibung und Grammatik noch durch Themenwahl überzeugen. Als Hausmagazine der eitlen Inspekteure von Heer, Luftwaffe und Marine pflegen die Blätter in holprigem Deutsch vor allem den militärischen Personen- und Leistungskult. Stolz preist man die „schicke“ UNO-Lackierung deutschen Geräts, die kolonialen Motive deutscher Feldpostkarten aus Somalia werden zum Aufmacher und der Generalinspekteur Klaus Naumann darf sich ausführlich über die Sicherheitspolitik der Regierung auslassen. „Auf Weisung von oben“ betreibt die Bundeswehr in steifem Sprachstil plumpe Selbstdarstellung.

Derartig zubereitet, zielen die Truppengazetten pfeilschnell an ihrer Zielgruppe vorbei. Viele Soldaten finden sie schlicht öde und langweilig. Ungelesen wandern die Hefte von den Auslagen der Kasernen direkt in den Abfall. „Mehr sind sie auch nicht wert“, klagt der Chef einer Luftwaffenausbildungskompanie. Wen erquicken schon Geschichten über die Unterwäschereform, den Rommelpreis und „Spiderman“ – einen Sodaten, der Spinnen sammelt?

Als „banalen Stumpfsinn“ bezeichnet auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Brigitte Schulte die Truppenzeitschriften. Sie ist Berichterstatterin für Haushaltsfragen und verlangt seit 1981 die Abschaffung der Kommiß-Blätter. Auch ihr CDU-Kollege Georg Janovsky wünscht sich „endlich mehr journalistische Professionalität“. Ansonsten will er die Blätter jedoch erhalten. 800.000 DM sind im diesjährigen Verteidigungsbudget für die Monatshefte veranschlagt. Zuzüglich der laufenden Ausgaben für die Redaktionsteams kosten sie weit über eine Million Mark jährlich.

Die Unprofessionalität der Zeitungen hat zahlreiche Gründe: in den Redaktionen sitzt zumeist journalistisch ungeschultes Personal. Der Chefredakteur der Luftwaffe, Wulff Bickenbach, und der leitende Redakteur im Ministerium, Klaus-Heinrich Ehlers, zum Beispiel verfügen weder über zivile Schreiberfahrung noch über redaktionelle Referenzen. Michael Watzke (21), ehemaliger Wehrdienstleistender, jetzt Radioreporter für die Deutsche Presse Agentur, über die Zustände im Pressezentrum der Luftwaffe: „Ich drohte lauthals, der Chefredaktion einen Duden zu schenken. Dann wurde ich versetzt.“ Dabei hätte er zusammen mit anderen Wehrdienstleistenden und Jungredakteuren in den Truppenzeitschriften für etwas journalistischen Aufwind sorgen können. Doch die Obrigkeit unterdrückt neue Ideen. Zensur gehört zum Alltag: „Ich wollte zur Transparenz beitragen und in den Truppenheften über den Rechtsradikalismus schreiben, den ich in der Bundeswehr erlebte. Das wurde direkt untersagt“, erzählt ein ehemaliger Rekrut.

Statt dessen befiehlt Chefredakteur Bickenbach seiner Luftwaffen-Redaktion, Titelgeschichten und Reportagen vom Schreibtisch aus zu verfassen, ohne daß einer der Berichtenden je vor Ort gewesen wäre: Über Tornadomanöver in Süddeutschland, Bombenentschärfungen auf Sardinien und MiG-Verschrottungen. „Sogar über die Luftbrücke nach Somalia und Sarajevo ließ er einen Redakteur schreiben, obwohl der nie dort gewesen war“, so Watzke. Um Recherchemitflüge bemühte sich die Chefredaktion gar nicht erst.

Beliebt sind die Hefte bei den Lesern allein wegen der ungewollten Lacheffekte, die die Blätter regelmäßig produzieren: Da veröffentlicht das Heer eine Umfrage, ob Frauen den Kampfdienst an der Waffe leisten sollen, und es antworten neun Männer, keine Frau! Im Dezember wünschte die Luftwaffe auf dem Titel ein friedliches neues Jahr, während im Hintergrund Soldaten in Kampfuniform an einer Rakete basteln. Dazu kommen kleinere Pannen. Eine neue „fünffarbige Tarnuniform“ wird auf Schwarzweiß-Seiten abgebildet. Bei einem Bericht über einen Flugtag wurde aus Nörvenich kurzerhand Nürnberg.

Brigitte Schulte fällt da nur eine Lösung ein: „Einstampfen!“ Sie hatte gehofft, daß die Truppenzeitschriften mit dem Ablauf des Produktionsvertrags in diesem Jahr eingestellt würden. Doch der private Bernecker-Verlag, der die Blätter seit sechs Jahren herstellt, soll nach Vereinbarungen mit dem Verteidigungsministerium bis 1997 weitermachen. Zumindest können die Bundeswehrler so noch mit mindestens drei weiteren „lustigen“ Neujahrswünschen rechnen... Peter Littger