: Abzug aus dem Gaza-Streifen weiter beschleunigt
■ PLO-Führung in Tunis hat Schwierigkeiten, Mitglieder für die palästinensische Autonomieregierung im Gaza-Streifen und in Jericho zu benennen
Tel Aviv (taz) – Die israelische Armee hat es mit ihrem Abzug aus einem Teil der besetzten Gebiete jetzt offenbar richtig eilig. Womöglich schon heute, einen Tag früher als geplant, sollen die letzten Besatzungssoldaten den dicht besiedelten Teilen des ungeliebten Gaza-Streifens endgültig den Rücken kehren. Spätestens morgen wird die Verwaltung der Stadt Jericho und des Gaza-Streifens an die PLO übergeben. Bis dahin werden alle Militärstützpunkte von der palästinensischen Polizei übernommen sein. Ein Teil der Besatzungsbehörden ist bereits seit Sonntag in palästinensischen Händen, obgleich bisher nur eine Art Rumpf- Administration der PLO funktioniert und bislang nur ein Teil der palästinensischen Polizeieinheiten eingetroffen ist.
Unter den übergebenen Gebäuden befindet sich auch das zentrale Gefängnis von Gaza – die palästinensischen Häftlinge wurden allerdings vorher nach Israel gebracht. Das berüchtigte Internierungslager „Ansar 2“, in dem es eine besondere Abteilung für palästinensische Kinder und eine andere für Geheimdienstverhöre gab, wurde noch vor der Übergabe dem Erdboden gleichgemacht. Der Abzug der letzten israelischen Truppen aus den großen Flüchtlingslagern erfolgte in den vergangenen Tagen mit Absicht ohne großen Lärm.
Bis gestern hatte die PLO-Führung in Tunis nur 15 der 24 vorgesehenen Mitglieder des palästinensischen Selbstverwaltungsrats ernannt und die Namen zur Bestätigung an die israelischen Behörden weitergeleitet. Viele der vorgeschlagenen Palästinenser, vor allem aus den besetzten Gebieten, haben sich geweigert, die Ernennung anzunehmen. Unter ihnen sind mehrere Mitglieder der früheren palästinensischen Delegation in den Washingtoner Gesprächen, wie Haidar Abdel-Schafi aus Gaza und die damalige Delegationssprecherin Hanan Aschrawi aus Ramallah. Auch Hafiz Al-Aschhab aus Hebron, Vorsitzender der von der PLO eingesetzten Untersuchungskommission für das Massaker in Hebron, wollte sich nicht nominieren lassen, ebenso Anton Sansur, der frühere Rektor der Universität in Bethlehem, und Hanna Nasr, Begründer und Präsident der Birzeit Universität. Bashir Barghuti, Generalsekretär der Volkspartei, sagte mit der Begründung ab, daß seine Partei das Abkommen über die Teilautonomie ablehne. Auch einige vorgeschlagene Mitglieder der islamistischen Hamas lehnten ab.
Feisal Husseini und Saeb Erekat, die ebenfalls früher an den Gesprächen in Washington beteiligt waren, haben die Ernennung hingegen schließlich unter erheblichem Druck aus Tunis angenommen. Amos Wollin
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