60.000 fliehen aus Ruandas Hauptstadt

■ UNO will Ende Mai Massaker untersuchen

Berlin (taz) – Ruandas Hauptstadt Kigali wird entvölkert. Etwa 60.000 Menschen – der Großteil der noch verbliebenen Bevölkerung der Stadt – nutzten gestern im Morgengrauen eine Kampfpause im Krieg zwischen regierungsnahen Milizen und der Guerilla „Patriotische Front Ruandas“ (RPF), um eine ungeordnete Flucht aus der Hauptstadt Richtung Süden anzutreten. In Nebel und tropischem Regen verstopften sie nach Augenzeugenberichten die Straße, die von Kigali nach Süden führt. Wie weit sie kommen würden, war gestern unklar, da die RPF inzwischen auch hier immer weiter vorrückt, um die verbliebenen Regierungstruppen in Kigali einzukesseln. Sie ist inzwischen dabei, die Straße in das südwestruandische Gitarama zu durchschneiden, wo sich der noch nicht nach Zaire geflohene Teil der ruandischen Regierung aufhält.

Die Regierungsseite scheint unter diesen Umständen mittlerweile in Auflösung begriffen. Korrespondenten auf der Straße von Kigali nach Gitarama hatten am Wochenende von einer dichten Folge von Straßensperren angetrunkener Milizionäre berichtet, vor denen selbst die regulären Regierungssoldaten Angst hätten. Die „Interhamwe“-Milizen üben in Südruanda weiterhin Terror gegen die Zivilbevölkerung aus. Der Rest des Landes wird mittlerweile von der RPF kontrolliert. RPF-Einheiten beschossen am Sonntag abend einen UNO-Konvoi, in dem sich der französische Minister für humanitäre Angelegenheiten, Bernard Kouchner, befand. Als Begründung erklärten sie, sie hätten angenommen, der „unangemeldete“ Konvoi sei von Regierungssoldaten gestohlen worden.

Die UN-Menschenrechtskommission will sich am 24. und 25. Mai zu einer außerordentlichen Sitzung treffen. Dabei soll unter anderem ein Sonderbeauftragter benannt werden, der Untersuchungen über die Verantwortlichen für die Massaker aufnimmt. D.J.