Landung auf der Briefmarke

■ Rettungs-Hubschrauber seit 20 Jahren im Einsatz Von Kai von Appen

Es sollte eine ruhige Pressepräsentation werden: Doch um 10.26 Uhr geht in der Einsatzzentrale des Bundeswehrkrankenhauses in Wandsbek das Alarmsignal los, „RTH“ blinkt eine Leuchttafel an der Wand. „RTH“ steht für den SAR-Rettungshubschrauber – unter Insidern „RTHub“ genannt. Notärztin Edda Ratzmann und Pilot Reiner Fischer, der Bordingenieur und ein Rettungsassistent greifen ihre Jacken, ziehen die Einsatz-Depesche aus dem Drucker, rennen zum Auto und brausen zum 300 Meter entfernten Landeplatz. Nach nur zwei Minuten hebt die „Bell UH/1D“ mit ihren 14.000 PS zum „Alarmstart“ Richtung Frahmredder ab. Einzige Instruktion an die Crew: „Person ohne Bewußtsein.“

Anästhesistin Edda Ratzmann war es auch, die am vorigen Freitag den 60.000sten Rettungseinsatz der Hamburger SAR-Rettungsstaffel geflogen hat - SAR steht übrigens für „Search and Rescue“ (Suche und Rettung). „Auf der A1 bei Stapelfeld war ein Autofahrer gegen die Leitplanke gefahren und hatte sich mehrfach überschlagen. Als wir ankamen, war er ohne Bewußtsein“, schildert die Notärztin den „ganz normalen Einsatz“. Noch am Unfallort leitete sie die Erstunfallversorgung ein, dann wurde der Verletzte ins AK Wandsbek geflogen.

Auch am Frahmredder konnte die RTHub-Besatzung schnell helfen. Ratzmann: „Nach circa sechs Minuten waren wir gelandet. Ein Mann war im Büro kollabiert und vom Stuhl gekippt. Als wir ankamen, war er bereits wieder bei Bewußtsein.“ Daher reichte es aus, daß der Verletzte im Rettungswagen „RTW 24D“ ohne Begleitung der Notärztin ins Krankenhaus gebracht wurde.

Die Wandsbeker Rettungsstaffel ist Bestandteil des Hanseatischen „Primärrettungssystems“. Hamburg ist damit die einzige Großstadt, die über einen „eigenen“ Rettungshubschrauber verfügt. Der RTHub wurde im Juli 1973 in Bundeswehrkrankenhaus stationiert, 1974 kam ein Notarztwagen (NAW) hinzu. Der RTHub ist täglich im Einsatz und legt durchschnittlich zehn Flugstunden in der Woche zurück. Von den 60.000 Einsätzen der Staffel in den vergangenen 20 Jahren gehen mehr als 26.000 auf das Konto des SAR-Hubschraubers des „LTG 63“ (Luftrettungsgeschwader).

Über den Einsatz entscheidet der Disponent in der Feuerwehreinsatzzentrale. Kann der RTHub schneller als der Feuerwehrnotarzt den Unfallort erreichen, rückt die „Bell UH/1D“ aus. Innerhalb von 25 Sekunden erreicht der Helikopter eine Geschwindigkeit von 220 Stundenkilometern - der Hamburger RTHub, der im Umkreis von 50 Kilometern operiert, kann in acht Minuten jeden Einsatzort in der Elbmetropole erreichen.

Dabei wird dem Team viel abverlangt. „Wir müssen oft auf Briefmarken landen“, bestätigt Crew-Chef Ulrich Weber. Pilot Reiner Fischer: „Jeder Pilot muß mindestens 2000 Flugstunden absolviert haben, bevor er in Hamburg eingesetzt wird.“ Nach der Vorschrift soll ein Landeplatz einen Radius von 30 Metern aufweisen. Die Crews dürfen aber selbst entscheiden, ob sie auch an engeren Plätzen runtergehen. Fischer: „Gerade wenn das Leben von Kindern in Gefahr ist, gibt es Besatzungen, die auch bei 17 Meter Umfang landen. Bei 14,8 Meter Rotor-Radius bleibt an jeder Seite nur ein Meter.“