Nachschlag

■ Seltsame Intimität auf dem „Weg zum Erfolg“, einer Performance im Podewil

Ein Parcours: Bis zur Decke reichen die hölzernen, orange bemalten Einbauten im Foyer des Podewil. Nur ein paar schmale Gänge sind freigeblieben in dieser merkwürdig sinn- und zwecklosen Architektur, die noch am ehesten an eine minimalistische Plastik erinnert. Es ist eng hier, fast bedrückend eng, seit sich die Türe hinter uns geschlossen hat. Bei der Aufführung von Silvia Merlo und Ulf Stengl sind die Zuschauer mit sich allein – „Der Weg zum Erfolg“.

Allein? Nicht ganz: Aus Lautsprechern dröhnt eine Stimme. Sie gibt Anweisungen, die man befolgen kann, aber nicht muß – ausweichen kann man ihnen nicht. Die Stimme, es ist die Stimme von Christian Brückner, wohl einer der bekanntesten Synchronsprecher Deutschlands, scheint von überall her zu kommen. Später beginnt eine Art Hörspiel, wie in einer nächtlichen, versteckt plazierten Radiosendung. Ein zweiter Mann fängt an, von seiner Frau zu erzählen. Eine dritte Stimme gesellt sich dazu, und eine vierte, eine fünfte. Es sind ganz verschiedene Textfragmente, die sich zu einem grotesken Sprachwirbel, zu einer Kakophonie von Impressionen vermischen, die manchmal, obwohl sie von einer Tonkonserve abgespielt werden, auf eigentümliche Weise mit der tatsächlichen Situation im Raum zusammentreffen. Zeitschichten verschieben sich.

In einer Nische stehen Gläser mit Erfrischungsgetränken bereit. Hören, trinken – das ist die eine Ebene der Performance von Merlo und Stengl, die „weder Theater noch Ausstellung oder beides?“ sein will, die Konsumebene. Aber – unwillkürlich – wird das Publikum auch selbst zum Mitproduzenten. Manche lauschen versunken, andere haben sich in versteckte Ecken zurückgezogen, wieder andere machen es sich so gut es geht auf dem harten Parkettboden gemütlich. Und fast alle beobachten sich gegenseitig, wie sie entspannt durch den Raum schlendern, sich amüsieren, Blicke austauschen. Die besondere Anordnung der Architektur erlaubt die Wahrnehmung von Gleichzeitigkeit. Steht man an einer der Ecken, sind zwei Gänge einsehbar: parallele Bilderwelten, deren Protagonisten nichts voneinander ahnen, erschließen sich einem an diesem Punkt.

Der Zufall, die Aussicht auf einen netten Abend hat uns zusammengeführt. Nun sitzen wir alle in einem Boot. Erwartungen werden geweckt, bestätigt oder enttäuscht. Am Ende sind nur 40 Minuten vergangen, aber die Magie dieses Ortes wirkt lange nach. Ich bleibe noch eine Weile, fasziniert, entrückt und in der Gewißheit, mit Fremden ein seltsam intimes Erlebnis geteilt zu haben. Ulrich Clewing

Weitere Vorstellungen bis 21.5., 20.30 Uhr, Podewil, Foyer, Klosterstraße 68–70, Mitte.