Wie die Liebe geht

■ Casanova wider Willen: Richard Fords "Der Frauenheld"

Ein Frauenheld, wie der Titel behauptet, ist Martin Austin nicht. Eher ein Wiedergänger von Millers Handlungsreisendem, der diesmal in Literatur macht. Nein, diesem Freizeit-Casanova fehlt offenbar die Antenne für Leidenschaft und Liebe. Er streunt durch seine Gefühlswelten wie ein ausgestoßener Hund durch die Stadt.

Martin Austin gibt zu: „Frauen waren manchmal ein Problem.“ Seine von amerikanischen Tugenden wie Optimismus, Selbstbewußtsein und Einsatzfreude beseelte Ehefrau Barbara faszinierte ihn einst, doch davon blieb nur Langeweile. Und er ödet sie an. Als sie nach Jahren bemerkt, was für ein introvertierter, verlorener Hanswurst ihr Mann ist, sagt sie: „Leck mich am Arsch. Und auf Wiedersehen.“

Manchmal weht den Helden dieser Novelle der Gedanke an, daß er vielleicht bloß ein „kriecherischer, feiger Lügner“ sei, der bloß nicht den Mut besitzt, sich dem einsamen Leben zu stellen. Das kann er aber nicht auf sich sitzen lassen. So zieht er aus, um herauszufinden, ob er verführen kann, ob er begehrenswert ist, bevor es zu spät ist, und er sich der lächerlichen Traurigkeit seines Daseins stellen muß. Martin Austin reist nach Paris, in die Stadt der sorglosen Liebe...

Richard Ford hält die stilistische Distanz zwischen melancholischer Ironie und identifizierender Innenschau seines Helden. Der in New Orleans lebende Autor reiht sich nicht erst mit dieser Novelle in die Tradition amerikanischer Erzähler von Hemingway bis Faulkner ein. Für seinen 1976 erschienenen Debütroman „A Piece of My Heart“ wurde er mit dem William-Faulkner-Preis für den besten Erstlingsroman des Jahres geehrt.

Es ist nicht eigentlich der Stil des teils lakonisch, teils anrührend geschriebenen Buchs, der zu fesseln vermag. Denn Ford bleibt der traditionellen Erzählweise treu, seine Technik folgt den soliden, doch ausgetretenen Wegen klassischer Novellen. Hier enttäuscht das mit viel Vorschußlorbeeren bedachte Buch. Ford geht formal auf Nummer Sicher, riskiert aber dadurch, daß sein Plot in Langeweile untergeht.

Doch der Autor entgeht der selbstgestellten Falle geschickt: Die psychologisch so sensibel wie treffend gezeichneten Figuren, die fein ausbalancierte Schilderung emotionaler Verstrickungen und Selbsttäuschungen überzeugen. Es fehlt jede Spur von Sarkasmus gegenüber seinen Geschöpfen. Ford ist ein souveräner Handwerker, der Liebe und Mitleid in sein Werk einzuflechten vermag.

Martin Austin jettet nach Paris, und hier gleitet ihm sein Leben vollends aus den Händen. Er trifft sich mit Josephine, die er offenbar aus beliebigen Gründen erwählt. Eigentlich findet er sie sogar „etwas dick und ungepflegt“. Dennoch redet er sich ein, sie könne sein Leben verändern, bei ihr könne er die Liebe finden. Doch in Wahrheit weiß er nicht, wie Liebe geht. Seinem Gefühlshaushalt fehlt es an festem Grund, gehalten wird er nur von den Stricken intellektueller Selbstvorgaben. Bei der zweiten Begegnung mit Josephine bricht dieses emotionale Kartenhaus zusammen, das Rendezvous gerät zum Desaster. Mit Gewalt will er herbeizwingen, was nicht da ist. Ein abgenötigter Kuß deckt die Lüge auf. Mit diesem Kuß will er seine Gefühle beweisen und die flüchtige Bekanntschaft auf eine andere Ebene heben. Aber: „Sie schob sich in dem Moment entschlossen von ihm weg, als Austin näher kam, um ihr den bedeutsamen Kuß zu geben. Aber Josephine küßte ihn zuerst, gab ihm den gleichen harten, leidenschaftslosen Kuß, mit dem sie ihn vor fünf Minuten begrüßt und der ihn unbefriedigt gelassen hatte.“

Es ist aus. Sein Leben hängt in der Luft, die Selbsttäuschung wird offenbar. Was ihm bleibt, sind tausend offene Fragen, „über die er viele, viele Nächte schlafen mußte“. Theo Bach

Richard Ford: „Der Frauenheld“. Novelle. Aus dem Englischen von Martin Hielscher, S. Fischer Verlag, 115 Seiten, 29,80 DM.