■ Anmerkungen zum Drogen-Urteil der Karlsruher Richter
: Es gibt kein Zurück mehr

Der Spruch der hohen Richter in Karlsruhe hat zunächst einmal über die Haschischfrage hinausgehend signalisiert, daß die bisherige strafbewehrte Drogenpolitik wohl ein auslaufendes Modell ist. Politikern auf Bundes- und Länderebene kann dementsprechend nur empfohlen werden, Alternativen zur prohibitiven Drogenpolitik mehr als ernsthaft zu prüfen. In den letzten Jahren haben fachlich ausgewiesene Stimmen, die einer effektiveren Schadensbegrenzung durch antiprohibitive Bemühungen das Wort reden, merklich zugenommen. Es ist daher schon erstaunlich, wie viele Entscheidungsträger – wie jetzt gerade in Bonn – mit quasi professioneller Ignoranz diese Stimmen immer noch nicht hören wollen.

Der zweite Aspekt der Karlsruher Entscheidung hat eine internationale Dimension. Seit Bestehen des Binnenmarktes sind die EU-Mitglieder angehalten, u.a. das Betäubungsmittelrecht und damit letztlich die Drogenpolitik zu harmonisieren. Nun kommt ausgerechnet vom drogenpolitischen Hardliner Deutschland ein höchstrichterlicher Spruch, der mehr den Drogenfrieden und weniger den Drogenkrieg signalisiert. Richtungweisend für Europa? Hoffentlich.

Ein dritter Aspekt ist gewissermaßen eine rein deutsche Angelegenheit. Die Karlsruher Entscheidung bedarf der deutlichen Nachbesserung. Der Drogenkonsum war hier kein Straftatbestand. Das „Prinzip der Straflosigkeit bei Selbstschädigung“ stellte und stellt den Respekt des Staates vor der Individualentscheidung des Bürgers dar. Dafür schwebte über den Verbrauchern immer das Damoklesschwert der Strafbarkeit der sog. konsumvorbereitenden Handlungen, also Erwerb und Besitz. Selbst zum Eigenbedarf. Und wo dieser anfängt und wo er aufhört, dürfte für eine Weile noch Streitgegenstand bleiben. In der Republik werden da Mengenwerte zwischen zwei und dreißig Gramm gehandelt. Als erstes Bundesland legte Nordrhein-Westfalen in seinen Landesgrenzen die Marge zehn Gramm fest.

Durch Karlsruhe sind nun die Strafverfolger der zweitermittelnden Behörde, die Staatsanwaltschaft, angehalten, den Straftatbestand Erwerb & Besitz zum Eigenbedarf nicht mehr zu bestrafen. Doch die Strafverfolger der erstermittelnden Behörde, die Polizei, ist nach wie vor angehalten, durch das Legalitätsprinzip sogar verpflichtet, die „konsumvorbereitenden Handlungen“ zu verfolgen. Und das mit dem Wissen, daß ihre Ermittlungsergebnisse bei der Staatsanwaltschaft dann in den Papierkorb wandern. Der Frust bei der Polizei ist dementsprechend groß. Kein Wunder, daß sie deshalb fordert, das Opportunitätsprinzip (des Paragraphen 31a BtMG) auch auf ihren Bereich auszudehnen. Solange hier keine Änderung eintritt, so lange bleibt die erstrebte und notwendige Entkriminalisierung auf der (halben) Strecke. Berndt Georg Thamm

Fachjournalist in Berlin; diverse Bücher zu Drogen, Mafia, organisiertem Verbrechen; arbeitet als Berater für die „Gewerkschaft der Polizei“, die ihm im Herbst 1990 den „GdP-Oscar“ verlieh.