Die plötzliche Invasion der Farbe Lila

■ Der Turnfestkorrespondent fragt nach der tieferen Bedeutung

„Die Freie und Turnfeststadt Hamburg“ (Bürgermeister Henning Voscherau) wird derzeit auch optisch bereichert. Farbenfroh kommen die Trimm-Trab- und sonstigen Bewegungsfreudigen daher, wenn auch nur bedingt abwechslungsreich: Denn Lila in sämtlichen Variationen dominiert die Welt der modisch gemusterten Trainingsanzüge. Angesichts der in purpur- bis burgunderfarbenes Nylon, Polyester und Acryl gewandeten Fitneßfans mag sich die Frage aufdrängen, ob diese Union der Couleur nun offiziell beabsichtigt, modisch bedingt oder einfach nur rein zufällig ist.

Modisch bedingt, sagen unter anderem Manuela und Tina, zwei Jungturnerinnen vom FC Kirchhausen: „Die Anzüge passen gut zu unseren lilanen Leggins, violetten T-Shirts und den anderen Vereinsklamotten“. „Lila ist die Modefarbe“, informiert uns die schon etwas ältere Turnerin Gerda vom TG Rüsselsheim, „und außerdem vorteilhaft für graue und blonde Haare“. Dies, so mußmaßt Gerda, erkläre die übereinstimmende Farbgebung in Vereinen mit hohem Altersdurchschnitt.

So denken auch die beiden Seniorenturnerinnen Ingeborg und Hedwig vom Turnerbund Untertürkheim. Für die fitgebliebenen Damen befördert die Farbe Lila eindeutig ein jüngeres Aussehen - “Die Konkurrenz ist schließlich groß im Verein“ -, keineswegs sei ihr etwa eine politische Bedeutung beizumessen. Die kann auch die 16jährige Tanja vom TSV Birkenau nicht an ihrer fliederfarbenen Jogging-Jacke entdecken. Dafür aber ein Signal ganz anderer Art: Lila, so outet sie überraschend, sei „die Farbe der unbefriedigten Frauen“. Heinrich vom LT Radolf-Zell schiebt die Schuld am Lila-Look seiner Turnhose ganz auf die Vereinsjugend: „Die haben die Anzüge ausgesucht – war wohl vor zwei Jahren der neueste Modegag.“

Solcherart modisches Denken macht vor der Freizeit nicht halt. Allabendlich läßt sich die Invasion der lila Schlabberklamotten am Kiez bewundern – zur bequemen Jogginghose in der Disco will sich aber niemand bekennen. Außer Bodo vom TUS Jahn Lüdenscheid, der zugibt, zu Hause gelegentlich im violett gemusterten Vereinsanzug Brötchen zu holen, verwahrten sich die befragten BewegungsfanatikerInnen sämtlich vehement gegen den Trend, auch in der Freizeit Sportbekleidung zu tragen.

Nur Benjamin, 14, trägt stolz und täglich seinen dreistreifigen Trainingsanzug. Der ist zwar nicht lila, sondern blau, aber dafür nach seiner Aussage „old school-Hip Hop“ ... die Mode macht's möglich. Florian Sievers