Mit einem blauen Auge davongekommen

■ betr.: „Zu simpel gestrickt“ (Volksbegehren gescheitert), taz vom 3.5.94

Lieber Gerd Nowakowski, von Anfang an war die liebe taz mit einigen Redakteuren beim Volksbegehren immer dabei. Unser Konzept ist anscheinend nicht bis zur Dir vorgedrungen und – da liegt ein Grund unseres Scheiterns – zu den Menschen in der Stadt auch nicht.

Also kurz unser Konzept, das hat zwei Standbeine. Zum einen sollten die Bündnispartner in ihren Bereichen die Defizite der Senatspolitik aufzeigen und ihnen ihre Alternative entgegenstellen. Zum anderen wollten wir mehr direkte Demokratie, besonders den Volksentscheid in Sachfragen erreichen. Die Durchführung des Volksbegehrens als erster Schritt zu mehr direkter Demokratie hätte zu einem kräftigen Tritt in den Hintern der Politiker werden sollen. Jener Politiker, die 1974 den Volksentscheid in Sachfragen abgeschafft haben, die heute in ihrem Politikstil die demokratischen Prinzipien ignorieren und in Zukunft, bei der Ausarbeitung einer gemeinsamen Landesverfassung von Berlin-Brandenburg, auch nicht wissen wollen. Sie sind mit einem blauen Auge davongekommen, aber 70.000 Unterschriften sind da, und es können die restlichen Unterschriften immer noch gesammelt werden – aber das liegt jetzt in der Hand der Bündnispartner.

Die Veröffentlichung der Konzepte hat sich im Sand verlaufen. Statt dessen hat uns die Presse immer als „Studi-Unmut“ aufgestrickt – es ist ihr bis zuletzt gelungen und nicht nur, wie befürchtet, der Springer-Presse.

Für diesen Artikel („Zu simpel gestrickt“) und für den Begriff „bedingungsloser Populismus“ würde ich Dir gerne – im friedlichen Sinne – in den Hintern treten. Urs Roth, Mitarbeiter AGV