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Village VoiceKrupp läßt grüßen

■ Fleischmann sind jetzt da, wo sie immer hinwollten: „Das Treibhaus“, ein gelungener dritter Versuch

Wenn der junge Mensch, vor allem der männliche, Wut meint, spricht er auch heute noch gerne und oft mit dem Sägen der Gitarre. Da türmen sich Akkorde wie die Bauklötze kleiner Kinder und wird die Stimme verstellt, böse gemacht und Omas erschreckt. Es ist ein hartes Hartbrot, an dem auch Fleischmann nun schon auf ihrer dritten Platte knabbern. Doch niemals zuvor war das Brot so kompakt wie diesmal. Da krümelt rein gar nichts mehr.

Vom Jazz-als-Metal ihres Erstlings „Power of Limits“ über die leichte Unentschlossenheit des Nachfolgers „Fleischwolf“ ist das Trio aus Ostberlin, das einzeln vor der Maueröffnung schon in den Westen übergesiedelt war und sich dort gründete, um nach dem historischen Tag den Weg zurück zu finden — vielleicht endlich da angekommen, wo sie immer hinwollten. „Das Treibhaus“ macht jedenfalls den bisher geschlossensten, am wenigsten suchenden Eindruck ihrer Veröffentlichungen.

Wenige balladeske Ausflüge, kaum noch Jazz-Einflüsse. Statt dessen Monolithen von Songs, die schwer und dröhnend daherkommen, unausweichlich, niederwalzend. Und trotzdem von einer unglaublichen Transparenz, die die bedächtige Gitarre zwischen den Tönen läßt. Oft ist bei Fleischmann mehr Platz als Klang da, erfüllen die Zwischenräume die Funktion, den Song zu strukturieren. Eine reduzierte Dynamik, wie man sie zum letzten Mal wirklich überzeugend von Danzig gehört hat.

Und auch textlich haben sie sich entschieden zwischen der englischen Lautmalerei der Anfangstage und dem schon fast plappernden Entdecken der deutschen Sprache auf „Fleischwolf“. Mir persönlich sind die Worte oft zu schwer verdaulich und bedeutungsüberlastet, da reimt sich „höllische Glut“ auf „stinkende Brut“, da wird manchmal arg geplättet („Tod und Feuer dem System/ Soll es doch zugrundegehn“) und wird allzu oft die Reimzwangbrechstange hervorgeholt.

Aber nichtsdestotrotz korrespondieren solche Zeilen exakt mit dem verbiesterten Jungmännercharme des Vortrages, mit den bösewichtigen Geräuschen, die Norbert Jackschenties versucht seiner Kehle zu entlocken, der man aber trotzdem immer anhört, daß der „Wahn“ (wie ein Song heißt) ein sehr wohl kontrollierter ist.

Ein netter Vergleich drängt sich geradezu auf. Wenn Jackschenties im Refrain von „Krank“ die Zeilen „Faß mich an – Ich bin krank“ singt, ist das die exakte Übersetzung von Mudhoney's „Touch Me, I'm Sick“, dem ersten Hit des Grunge. Doch während der Mudhoney-Song ein aus den Fugen berstender, von Nebengeräuschen dominierter, auseinanderlaufender Rockschleimknubbel war, ist „Krank“ ein dermaßen konzentriertes, messerscharfes Stück Schwermetall, wie es nur Deutsche zustande kriegen können – Krupp läßt grüßen.

Und genau das ist die besondere Qualität von Fleischmann: Sie versuchen erst gar nicht, anglo-amerikanische Selbstverständlichkeiten wie poppige Lässigkeit oder rockende Relaxtheit zu kopieren, sondern machen aus der deutschen Not eine Tugend und setzen den hierzulande herrschenden bleischweren Charakter in die passenden Metalliken um. Das baut zwar zugebenermaßen auf ein Klischee, aber da ist was dran.

Und hin und wieder gelingen Fleischmann dann doch Zeilen, die nicht nur aussagekräftig sind, sondern auch eine gewisse stille Eleganz nicht verleugnen können: „Hype den Hype und Light die Light/ für die Zukunft sind bereit/ die Minister des Untergangs.“ Daß sie sich mit dieser Platte locker zur besten Metal- Band Berlins aufgeschwungen haben, und ich rede hier nicht von Hardcore, Death oder Doom oder sonstwas, sondern von Metal in seiner reinsten, wundervoll klarsten Form, soll zum Abschluß dann doch nicht unerwähnt bleiben. Thomas Winkler

Fleischmann: „Das Treibhaus“, Noise/Rough Trade.

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