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■ In der UNO wird sexuelle Belästigung heruntergespieltVor der eigenen Tür kehren

Zum erstenmal in der 49jährigen Geschichte der UNO wurde vor zwei Wochen eine Sonderberichterstatterin über Gewalt an Frauen ernannt. Wenn diese am 1.Juli ihr Amt antritt, muß sie gar nicht erst in ferne Länder reisen, sondern kann mit ihrer Arbeit gleich im Genfer UNO-Palast und in der New Yorker Zentrale der Organisation anfangen und dort den Beschwerden zahlreicher Frauen über sexuelle Belästigung und Übergriffe durch (fast immer) männliche Vorgesetzte nachgehen, die bislang so erfolgreich unter den Tisch gekehrt wurden.

Der eigentliche Skandal ist dabei nicht, daß das, was in Finanzämtern, Schulen, Parlamenten oder Medienredaktionen vorkommt, auch in der UNO passiert. Zum Skandal wird, wie Generalsekretär Butros Ghali und sein Genfer Statthalter Petrovski einen hochrangigen UNO-Beamten zu schützen suchen, der von mindestens fünf Frauen – unabhängig voneinander – sexueller Belästigung und Übergriffe beschuldigt wird. Wie dies geschieht? Durch Verdrehung der Wahrheit, Druck auf die Frauen und Drohungen gegen Journalisten. Und dies im Falle eines Beamten, für den eine UNO-interne Untersuchungskommission immerhin eine dreimonatige Suspendierung empfohlen hatte.

Diese Männer-Kumpanei wird durch die UNO- spezifischen Bedingungen noch erleichtert: Geheimhaltungsvorschriften, diplomatische Immunität der Täter und – daraus resultierend – die nicht vorhandene Möglichkeit der betroffenen Frauen, die Angelegenheit vor ein ordentliches Gericht zu bringen. Gerade weil diese Möglichkeit nicht existiert, ist in der UNO mit ihren vielen zehntausend Beschäftigten noch viel dringender, was in vielen weit kleineren nationalen Behörden, Organisationen oder privaten Firmen inzwischen längst existiert: eindeutige Richtlinien zum Thema sexuelle Belästigung und Übergriffe, zügige, transparente und verläßliche Untersuchungsverfahren im Falle von Beschwerden und ein dem Delikt angemessener Sanktionskatalog. Derzeit, das muß man aus Ghalis und Petrovskis Verhalten schließen, ist es schlimmer, wenn ein UNO-Beamter falsch parkt oder rote Ampeln überfährt, als wenn er Frauen sexuell belästigt. Andreas Zumach, Genf

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