■ Tohuwabohu bei der Statt Partei
: Aufgemischt wird nicht!

Wer regiert die Statt Partei? Der vor wenigen Wochen zum Bundesvorsitzenden gewählte Bernd Schünemann? Oder doch der Vorstand der Jungpartei, dessen aufständische Mehrheit gestern den Vorsitzenden schaßte, obwohl der doch just für diesen Fall die Amtsenthebung der Vorständler verkündet hatte? Und welche Statt-Kräfte hintertreiben nun eigentlich die Gründung eigener Landesverbände, um auf diesem Wege den „Republikanern“ lästige Konkurrenz bei den bevorstehenden Wahlen zu ersparen? Egal. Die aufgebrachten Statt-Kontrahenten, die sich gegenseitig parteischädigender Fraktionsbildung bezichtigen, werden noch ein paar kürzer werdende Meldungen provozieren und ansonsten die schöne und von Anfang an ein wenig vollmundig propagierte Idee von der ganz anderen demokratischen, transparenten Interessenvertretung mündiger Bürger ad absurdum führen. Perspektive? Mit etwas Glück der Status einer Hamburger Regionalpartei, deren Überleben an die Regierungsbeteiligung gekoppelt ist. Ansonsten abnehmender Unterhaltungswert.

Vom fulminanten Start im letzten Herbst jedenfalls bleibt nicht viel mehr als die Erkenntnis, daß die parteiförmige Organisation von Parteienverdrossenheit eben schwer zu organisieren ist. Die Grünen immerhin, die Ende der siebziger Jahre auch als Anti-Parteien-Partei gestartet waren, konnten außer vom Mißmut über die Altparteien vom Engagement für ein Jahrhundertthema profitieren. Doch dem ökologischen Protest und seinem organisatorischen Netzwerk, aus dem sich die Grünen entwickeln konnten, entsprach bei den Statt-Gründern nicht viel mehr als die Nörgelei an der etablierten Parteienherrschaft. Die diffuse Stimmung von oben her zu bündeln kontrastierte von Anfang an mit dem eigenen Demokratiebegriff – ein notwendiger und, wie sich jetzt zeigt, ruinöser Widerspruch. Wo qua Programm sich alle berufen fühlen dürfen, ist Führung eben schwer zu machen. Der mit viel Moral angereicherte Impuls gegen die anderen entlädt sich nun im kabarettreifen Grabenkrieg. Von der schonungslosen Parteienkritik zur schonungslosen Selbstzerfleischung.

Bleibt die Frage, warum seinerzeit schon der Hamburger Wahlerfolg ausreichte, um die Truppe um Markus Wegner als ernstzunehmende Bedrohung vor allem für die Konservativen und Liberalen erscheinen zu lassen. Das lag weniger am begründeten Vertrauen auf die politische Potenz der Neugründung. Die Statt Partei eignete sich als Projektionsfläche für das diffuse politische Erneuerungsinteresse. Sie war die erste konkrete, zudem erfolgreiche Antwort auf die Politikverdrossenheit bürgerlicher Provenienz, eine Bündelung des Protests, nur eben etwas seriöser als die der Rechtspopulisten um Schönhuber. Spätestens seit den jüngsten Wirrungen müssen die bürgerlichen Protestwünsche wieder frei flottieren. Die Union ist noch einmal mit dem Schrecken davongekommen. Auch das paßt zu den Signalen einer Trendwende aus den letzten Wochen. Mit ihrem spektakulären Niedergang gerät die Statt Partei zum neuerlichen Argument fürs längst Vorhandene. Aufgemischt wird nicht! Matthias Geis