„Was soll dieser Schauprozeß heute?“

Hilflose Betroffenheit kennzeichnete die gestrige Bundestagsdebatte zu den Krawallen in Magdeburg / Union rügte die Berichterstattung von Presse, Funk und Fernsehen als übertrieben  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) mahnte die Opposition milde, „zwischen den Parteien in diesem Hause nicht künstliche Fronten auszubauen“. Doch wie schon bei anderen Gelegenheiten, die sich mit den Namen Rostock, Mölln oder Solingen verbinden, wurde gerade gestern im Bundestag eine Trennlinie deutlich fühlbar. Bündnis 90/ Die Grünen hatte eine aktuelle Stunde durchgesetzt, um im Parlament über Magdeburg zu sprechen. Konsequenzen, die Ausschreitungen wie die jüngsten am Himmelsfahrtstag wirksam verhindern könnten, hatte gestern niemand anzubieten, und über weite Strecken erfüllte auch die gestrige Debatte keinen anderen Zweck, als erneut hilflose Betroffenheit zu bekunden. Doch klang in allen Reden die Sorge durch, daß die rechtsextremistische und fremdenfeindliche Gewalt ein beunruhigendes Dauerphänomen geworden ist – nur bei den Rednern aus der Union nicht.

Nach der heftigen Eröffnungsrede von Konrad Weiß (Bündnis 90) schickte die Union Rolf Olderog (CDU) ans Rednerpult, der nach den gängigen Eingangsformeln („mit tiefer Sorge“, „schlimme Ereignisse“) schnell zu seinem eigentlichen Thema kam. Die Berichterstattung sei falsch und übertrieben. So hätte das Fernsehen stundenlange Auseinandersetzungen suggeriert, die Polizei sei zu Unrecht in Mißkredit gebracht worden. Falsch auch, daß Hinweise des Verfassungsschutzes übersehen worden seien. Kritikwürdig war für Olderog nur, daß ein Oberservationstrupp fehlte und die Staatsanwaltschaft nicht unterrichtet war. Der Magdeburger Abgeordnete Hartmut Büttner (CDU) sprach unter anderem Wolfgang Thierse (SPD) das Recht ab, die Ereignisse zu beklagen, gehörte er doch zu einer Partei, die in Sachsen-Anhalt schärfere Gesetze wie den Unterbringungsgewahrsam verhindert haben. Bohl berief sich darauf, daß die Justizministerin „für die Bundesregierung bereits erklärt“ habe, daß die Ausschreitungen „völlig inakzeptabel“ seien, um sich ungeniert der Schönrednerei zuzuwenden. „Durchaus beachtliche Teilerfolge“ habe die Regierung mit ihrer „Offensive gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit“ bereits erreicht. „Immerhin um 25 Prozent“ habe die Zahl der Übergriffe reduziert werden können. Ausdrücklich wandte sich Bohl gegen die Befürchtung von Jürgen Schmude (SPD), der gesagt hatte: „Unser Land beginnt sich zu verändern ohne daß wir das aufhalten.“ Schmude hatte zudem einen „Überschuß an Kälte und Härte“ gegenüber Ausländern beklagt. Bohl legte Wert darauf, daß „das Bild, das Sie malen, nicht richtig ist.“ Doch fand er sowenig wie seine christdemokratischen Vorredner zum Thema der Debatte.

„Was soll der Schauprozeß heute?“ fragte schließlich im Brustton der Überzeugung Monika Brudlewsky (CDU), die gänzlich ungerührt vorführte, daß die Union über rechtsextremistische Gewalt nur dann reden will, wenn gleichzeitig über jedwede Gewalt geredet wird. Brudlewsky nahm sich zu diesem Zwecke Bad Kleinen und Wernigerode im Oktober 93 vor. Auch hier wieder, so die Abgeordnete zu Wernigerode, links gegen rechts.