Statt-Tohuwabohu ist perfekt: Partei ohne Chef, Kandidat ohne Partei

■ Neues von der Statt-Connection: Statt Partei feuert ihren Vorsitzenden und den Spitzenkandidaten

Hamburg (taz) – Das Statt-Tohuwabohu ist perfekt. Der sechsköpfige Rumpf-Vorstand der Wählervereinigung beschloß am Dienstag abend in Kassel nicht nur die Amtsenthebung des erst im März gewählten Bundesvorsitzenden Bernd Schünemann, sondern sorgte auch für ein Novum in der bundesdeutschen Politlandschaft: Außer Schünemann feuerten die Vorständler nämlich den Thüringer Landesvorsitzenden Peter von Bogendorff. Der ist gleichzeitig Statt-Spitzenkandidat für die Europawahlen und darf dies aus rechtlichen Gründen auch bleiben. Gegen Bogendorff und Schünemann sollen Parteiausschlußverfahren eingeleitet werden.

Nach den gegenseitigen Diffamierungen wenig überraschend. Schünemann betrachtet sich weiterhin als Parteivorsitzender. „Es hat gar keine Vorstandssitzung gegeben“, erklärte der Münchner Strafrechtsprofessor gestern der taz. Der stellvertretende Parteivorsitzende Mike Bashford begründete die Rauswürfe gestern in Hamburg mit „parteischädigendem“ und „undemokratischem“ Verhalten der beiden Funktionäre. Schünemann habe entgegen dem Vorstandsbeschluß den Anschluß der Saar-Partei an die Wählervereinigung betrieben und sei der „Unterwanderung“ der Statt Partei durch ehemalige „Republikaner“ nicht entgegengetreten.

Bogendorff, der sich vor seinem Statt-Engagement der Jenaer SPD als Oberbürgermeisterkandidat empfohlen hatte, war unter anderem durch phantasievolle Beschimpfungen des Parteivorstands – „Flachlandtiroler“, „Hafenstraßen-Chaoten“ – unangenehm aufgefallen. Er soll nach Angaben des Parteivorstands außerdem mit wenig demokratischen Mitteln für seine Aufstellung als Kandidat für den thüringischen Landtag geworben haben.

Schünemann konterte den Beschluß seiner Ex-Vorstandskollegen in inzwischen bewährter Statt- Manier: Die Vorwürfe des Gremiums seien „eklig und unappetitlich“, seine Beschlüsse „völlig unwirksam“. Der (Ex?-)Parteichef will sich am kommenden Samstag in Fulda auf einer Bundesversammlung den Parteimitgliedern stellen. Das dürfte allerdings problematisch werden. Auf Antrag seiner Kontrahenten – die ihrerseits einen Parteitag für den 4. Juni einberufen haben – hat das Hamburger Landgericht eine einstweilige Verfügung gegen die Veranstaltung in Fulda erlassen. Schünemann will Widerspruch einlegen und hält seinerseits die Versammlung am 4. Juni für unrechtmäßig. Zu ihr seien „mindestens fünf Landesverbände nicht eingeladen“ worden. Wobei zwischen Schünemann und dem Rumpf-Vorstand umstritten ist, welche Landesverbände derzeit überhaupt zur Statt Partei gehören.

Bei soviel Durcheinander darf einer natürlich nicht fehlen: Aus dem Sylt-Urlaub meldete sich gestern Statt-Partei-Gründer Markus Wegner, begrüßte kurz den Beschluß des Bundesvorstands als „nachvollziehbar“, lobte seine Partei, als einzige „in der mit offenen Karten gespielt und diskutiert wird“, um dann leicht resigniert einzugestehen: „Auf Bundesebene müsse Statt Partei derzeit kleinere Brötchen backen.“ Eine Teilnahme an der Bundestagswahl, bisher das große Ziel des CDU- Dissidenten, halte er nunmehr für verfrüht.

Eine Einschätzung, die inzwischen auch die Meinungsforscher teilen. Infas befindet, „daß die Statt Partei dabei ist, ihren großen Vertrauensvorschuß zu verspielen.“ Und Forsa verbindet einen Hinweis auf den Zustrom „querulatorisch veranlagter Leute“ in die Statt Partei mit der Einschätzung: „Was da passiert, ist für diese Wahlen der Tod dieser Bewegung.“ Ulli Exner