Der Gaza-Streifen ist autonom

■ Israels Militärs haben den Abzug aus dem Gaza-Streifen beendet / Palästinenser feiern ersten Tag der Autonomie / Arafat-Rede sorgt in Israel für Empörung

Berlin/Tel Aviv (taz) – Es war für beide Seiten ein großer Tag. Noch vor Sonnenaufgang hatte die israelische Armee gestern ihre letzten Soldaten aus dem zukünftig autonomen Gaza-Streifen abgezogen. In den Städten und Dörfern des ab 1967 israelisch besetzten Gaza-Streifens feierten die BewohnerInnen gestern rauschende Feste. In Israel erklärte Außenminister Schimon Peres, mit dem Abzug sei ein „enormer Fehler“ wieder gutgemacht worden.

Mit dem Abzug der letzten israelischen Soldaten hat die PLO nun auch die politische Kontrolle im Gaza-Streifen übernommen, nachdem dieser Schritt in der Westbankstadt Jericho bereits am letzten Freitag vollzogen worden war. Ausgenommen von der palästinensischen Autonomie sind im Gaza-Streifen mehrere große Enklaven um israelische Siedlungen und Militärstützpunkte. Um das Gebiet, in dem gut ein Drittel der palästinensischen Bevölkerung der jetzt nurmehr teilweise besetzten Gebiete lebt, hat die israelische Armee schon vor Wochen mit dem Bau eines riesigen Zaunes begonnen. Der Drahtverhau soll jede unkontrollierte Bewegung vom Gaza-Streifen nach Israel unmöglich machen.

Nach dem Osloer Grundlagen- Abkommen, mit dem Israel und die PLO im September vergangenen Jahres ihre gegenseitige Anerkennung besiegelten, beginnt jetzt eine fünfjährige Übergangsperiode in den besetzten Gebieten. Nach dieser Frist sollen Übereinkünfte in Kraft treten, in denen der endgültige Status des Gaza-Streifen, der Westbank und auch Ostjerusalems geregelt wird. Verhandlungen über diese Frage sollen in spätestens drei Jahren beginnen.

Eine Rede, die der PLO-Vorsitzende Jassir Arafat am 10. Mai vor Moslems im südafrikanischen Johannisburg gehalten haben soll, sorgte in Israel für Empörung. Nach dem Tonbandmitschnitt des Beitrages, der gestern von den israelischen Medien übertragen wurde, rief Arafat unter anderem zur Teilnahme an einem „Dschehad“ auf, um die islamischen heiligen Stätten von Jerusalem zu „befreien“. Sie befinden sich im 1967 von Israel besetzten und anschließend annektierten Ostteil der Stadt. Das arabische Wort „Dschehad“ ist vieldeutig. Es bedeutet in etwa „eine Gott wohlgefällige Anstrengung der Gläubigen“, die unterschiedlicher Art sein kann – durchaus auch kriegerisch. Israels Ministerpräsident Rabin erklärte, die Rede sei ein schwerer Verstoß gegen die Abkommen mit der PLO. Auch US-Außenminister Christopher, der gestern Gespräche in der syrischen Hauptstadt Damaskus führte, forderte Arafat zu einer Stellungnahme auf. N.C.

Siehe Reportage Seite 9