Töpfer sucht Atommüll-Endlager im Osten

■ Bundesumweltministerium prüft alternative Standorte zu Gorleben

Berlin (taz) – Die Bundesregierung läßt mit Hochdruck nach Alternativen zum Atommüll-Endlager Gorleben fahnden. Ins Fadenkreuz sind dabei auch erstmals Salzstöcke und Granitformationen in den neuen Bundesländern geraten. Die Sprecherin des Bundesumweltministers, Marlene Mühe, bestätigte gestern, daß Wissenschaftler der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) nach Durchsicht der Akten mindestens sechs Salzstöcke in den Ländern Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg als mögliche Alternativen für die Lagerung hochradioaktiven Atommülls genannt hätten. Die Namen fielen bei einem mündlichen Zwischenbericht der BGR-Wissenschaftler für die Reaktorsicherheitskommission (RSK). Im September soll die BGR erstmals seit zehn Jahren ein Gutachten mit einer naturwissenschaftlichen Rangfolge möglicher Endlagergesteine in ganz Deutschland vorlegen. „Da werden dann auch Salzstöcke aus Westdeutschland dabeisein“, versprach gestern Georg Blümel, Abteilungsleiter bei der BGR. Nach der Aktenlage kommen derzeit außer den Salzformationen auch 25 Granitgesteine in Ostdeutschland und 11 im Westen (Bayerischer Wald, Oberpfälzer Wald, Schwarzwald, Spessart, Westharz und Odenwald) als Alternativen zu Gorleben in Frage.

Im Bonner Ministerium wiegelte man gestern ab. Die Untersuchungen seien ein alter Hut. Solche Untersuchungen seien in der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung angekündigt worden.

Das ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Erstmals seit Jahren nannten die BGR- Wissenschaftler die Namen konkreter Standorte für ein Endlager. In dem vertraulichen Protokoll der RSK sind die Salzstöcke Gülze-Sumte und Kraak in Mecklenburg-Vorpommern, Werle und Netzeband in Brandenburg sowie Peckensen und Jahrstedt in Sachsen-Anhalt erwähnt. Ein Endlagerstandort ist nach der derzeitigen Rechtslage Bedingung für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke.

Der Salzstock in Gorleben war 1977 nach einer geologischen Vorauswahl unter 280 Salzformationen als möglicher Endlagerstandort benannt worden. Nach Angaben des damals mit der Vorauswahl befaßten Geologen Gerd Lüttig war Gorleben nicht unter seinen Favoriten. Das sei eine politische Entscheidung gewesen.

Der Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, Frieder Jelen (CDU), wandte sich gestern gegen eine Suche nach Gorleben-Alternativen in Ostdeutschland. Auch Umweltschützer kündigten Widerstand gegen ein Atommüll-Endlager in dem Bundesland an.

Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg reagierte nicht erleichtert. „Bei uns gibt es keine Spur von Euphorie“, so Wolfgang Ehmke von der BI. „Die Endlagersuche an anderen Orten bedeutet nicht den Abschied von Gorleben.“ Gorleben sei als Dauerzwischenlager für hochradioaktiven Atommüll weiter eingeplant. „Ab Freitag werden wir dieses Zwischenlager, dieses Zeugnis der atomaren Steinzeittechnologie, mit mittelalterlichen Rammböcken, Schleudern und Katapulten belagern“, versprach Ehmke. Hermann-Josef Tenhagen