: Wer zu spät kommt...
■ Späte Fragen: ABM-Projekte am Arbeitsmarkt vorbeibeschäftigt?
Kurz vor dem Ende der ABM-Ära noch neue Konzepte. Erstmals versammelten sich jetzt Vertreter aus Unternehmen, Beschäftigungsträgern, Arbeitsverwaltung, Sozialbehörde und dem Bezirksamt Mitte zu einer bezirklichen Arbeitsmarktkonferenz. Während sich Wirtschaftskrise und Rotstifte des Bundesarbeitsminsters bereits seit drei Jahren umtriebig zeigen, förderte die Tagung gestern ein erstaunliches Resümmee zutage: „Eine aktive Arbeitsmarktpolitik in enger Abstimmung zwischen Wirtschaft und öffentlicher Hand wird in Zukunft von zentraler Bedeutung sein.“
Der Bezirk Mitte ist das Armenhaus der Hansestadt. Mit einer Arbeitslosenquote von 15,2 Prozent (Hamburg 9,8) und 21.043 SozialhilfeempfängerInnen liegt er auch in der Lohn- und Einkommensteuer-Statistik an letzter Stelle. Darüber hinaus ist jeder zweite Jugendliche unter 25 Jahren ohne Ausbildung, jeder vierte sogar ohne Hauptschulabschluß; rund zwei Drittel der Erwerbslosen sind Arbeiter. „Eine öffentliche Beschäftigungspolitik kann nur dann erfolgreich sein“, referierte Bezirksamtsleiter Peter Reichel, „wenn es ihr gelingt, den Zweiten Arbeitsmarkt auf die Bedürfnisse des Ersten zu orientieren.“
Wohl wahr. Mit dieser Zielrichtung, so möchte man meinen, wurde der Zweite Arbeitsmarkt mit seinen bis zu 6500 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) vor zwölf Jahren aus der Taufe gehoben. Wurde am Thema vorbeigearbeitet? Die Diskussionen habe gezeigt, so die Konferenzteilnehmer, daß es in Hamburg eine starke Nachfrage im Dienstleistungssektor gebe. Die Beschäftigungsträger setzten bislang jedoch auf die gewerblich-technischen Berufe. Eine Umorientierung in kaufmännische und sozial-pflegerische Berufszweige sei langfristig angestrebt, versicherte man gestern. Um genauere Anforderungsprofile zu entwicklen, strebe man zudem einen engeren Kontakt zu Betrieben an.
Wenn dazu noch Zeit bleibt? Weniger als tausend ABM werden am Jahresende dank Bonns Spardiktat von Hamburgs weitgerühmten Zweiten Arbeitsmarkt übrig sein. Erfolge dieser Beschäftgungspolitik? Zahlen nicht bekannt, so die Vertreter der Behörde und des Arbeitsamts. Schließlich hat es auch zwölf Jahre gebraucht, eine erste Arbeitsmarktkonferenz einzuberufen. Andere Bezirke haben selbst das nicht geschafft. Sannah Koch
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