■ Mit Naturkatastrophen auf du und du
: Mehr Opfer als früher

New York (AP/taz) – Naturkatastrophen führen heute im Durchschnitt zu wesentlich mehr Todesopfern und Sachschäden als noch vor 30 Jahren. Dies geht aus einer im Auftrag der Vereinten Nationen erstellten Studie hervor, die in der kommenden Woche auf der UNO-Konferenz im japanischen Yokohama veröffentlicht werden soll und gestern bereits in Auszügen vorgestellt wurde.

Der Autor der Studie, Charles Kerpelmann, hat tief in der Statistik gewühlt. Die Ergebnisse der monatelangen Recherchen haben den UNO-Berater „überrascht und beunruhigt“. So läßt sich dem Zahlenmaterial entnehmen, daß sich in den Jahren von 1963 bis 1967 nur 89 Naturkatastrophen ereigneten, bei denen jeweils 100 oder mehr Menschen ums Leben kamen. Zwischen 1988 und 1992 habe sich die Zahl mit 205 mehr als verdoppelt, berichtete Kerpelmann. Die Anzahl der Naturkatastrophen, die erhebliche Sachschäden angerichtet haben, sind sogar um mehr als 300 Prozent gestiegen. Aus den Statistiken geht außerdem hervor, daß die Zahl der Menschen, die von solchen Unglücken betroffen sind, jährlich um sechs Prozent zunimmt – dreimal mehr als die Wachstumsrate der Weltbevölkerung. Den Hauptgrund für die Zunahme der Todesopfer sieht Kerpelmann vor allem im ständigen Bevölkerungswachstum. Damit steige die Tendenz, etwa in gefährdeten Gebieten wie Flußebenen zu siedeln. Doch auch die Umweltzerstörung spielt eine gewichtige Rolle. Peter Hansen, ein UNO- Beauftragter für humanitäre Fragen, verdeutlichte dies am Beispiel Bangladesch: Durch die Abholzung der Wälder wird dort immer mehr Erdreich in die Flüsse gespült, wodurch deren Flußbett ansteigt, was wiederum die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen erhöht. „Es gibt weder mehr Wirbelstürme noch mehr Erdbeben als früher“, betonte der Vorsitzende der Katastrophenschutzabteilung der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation, Claude de Ville de Goyet. Der Anstieg der Opferzahlen in der Statistik käme auch dadurch zustande, daß die Katastrophen heute aufgrund der vereinfachten Kommunikation besser dokumentiert würden als noch vor einigen Jahren, räumte er ein. Als Konsequenz forderten Hansen und Goyet, daß vor allem in den Entwicklungsländern mit Unterstützung der Industriestaaten wirkungsvollere Schutzmaßnahmen vor Naturkatastrophen getroffen werden müßten. Keiner der an der Studie beteiligten Experten hält es jedoch für wahrscheinlich, daß die Erwärmung der Erdatmosphäre oder andere Klimaveränderungen die rapide Zunahme der Opferzahlen maßgeblich ausgelöst haben.