Radlers Schlafplatz

■ Übernachtungsverzeichnis für RadlerInnen ist neu erschienen

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel erleben. So heißt es. Das gilt nicht länger nur für die Reisenden. Auch Daheimgebliebene können was erleben. Den über 3.000 Mitgliedern im Verein „Dachgeber“, einer Tochtervereinigung des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) beispielsweise, werden die Neuigkeiten geradezu ins Haus getragen: Sie lassen fremde Gäste bei sich übernachten, kostenlos, im Zelt im Garten, in der Laube oder im Gästezimmer. Als Gegenleistung bekommen sie nichts, außer die Zusage, auf Reisen ihrerseits bei anderen DachgeberInnen unterschlüpfen zu dürfen. Seit 1987 gibt es das Netzwerk.

Rechtzeitig zur beginnenden Radel-Saison ist die neueste Auflage des gesamten Übernachtungs-Verzeichnisses erschienen, so handlich, das es in jede Lenkradtasche paßt. Und in der Aufmachung so bescheiden und umweltfreundlich, wie man sich das Vorzeigemitglied dieser RadlerInnenvereinigung gerne vorstellen möchte. Sogar billig ist die Broschüre, wenn man sie an der Leistung mißt: Über 11.000 Schlafplätze sind darin aufgeführt, nach Postleitzahlen geordnet, und mit einer Übersichtskarte versehen. 21 Mark kostet sie, wenn man Mitglied beim „Dachgeber“ wird.

Und wer nutzt das Angebot? Zumeist unauffällige Menschen, wie RadlerInnen eben so sind – aber freundlich. Nur so ist es zu erklären, daß wenige Bremer DachgeberInnen sich noch an die Herkunftsorte ihrer Gäste erinnern, geschweige, an ihre Namen. Nur daß sie nett waren, weiß man noch. „Und müde waren sie wohl auch, deshalb wurde nicht viel geredet“, erzählt Gisela Fuhrmann, eine Bremerin. Sie lernte als Gäste vor allem „ehrgeizige Vielradler“ kennen. „Die sprechen wenig und gehen früh schlafen.“ Zu dieser Sorte Mensch gehört sie nicht: seit die Kinder da sind, radelt sie wenig. Trotzdem nimmt sie Leute bei sich auf. „Es ist doch eine gute Idee“ – und böse Überraschungen hat sie noch nie erlebt.

So geht es auch Peter Busch. Der, einer von weiteren 50 eingetragenen BremerInnen, weiß sogar von zwei Hochzeiten zu berichten, die die Dachvermittlung schon angerichtet haben soll. Nicht in seiner näheren Bekanntschaft allerdings – seine Familie beherbergte im letzten Jahr nur zweimal radelnden Besuch. „Das ist nicht viel, aber auch kein Wunder, in Bremen sind wir ja eine Hochburg, da gibt es viele Adressen“. Obwohl das Programm auf Gegenseitigkeit ausgelegt ist – wer bei anderen übernachtet, muß auch selbst mal GastgeberIn spielen – nimmt Busch das Abgebot selbst nie in Anspruch. „Ich bin eher Camper“. Aber Gäste findet er gut, außerdem könne man Übernachtungsanfragen ja auch ablehnen. „Wenn man gerade was anderes wichtiges hat“.

Ablehnen – das ist den Görlich-Hansens in ihren drei Jahren Mitgliedschaft noch nicht vorgekommen – vielleicht weil sie so wenig Anfragen hatten. Obwohl sie im idyllischen Neetze wohnen, in Schleswig-Holstein, wo die Übernachtungsangebote eher rar sind, hatten sie im letzten Jahr nur zwei Anfragen.

Eingetreten waren sie nach dem Mauerfall, weil sie dachten, „daß diese Übernachtungsgeschichte aus dem Osten kommt“. Sie wollten einen kleinen Beitrag zur ost-westdeutschen Verständigung leisten. Und dabei wollen sie bleiben, auch wenn manche Begegnung „scheußlich“ war, weil man sich so fremd blieb. Macht nix: „Man sucht ja keine Freunde.“. ede