Bremerin stimmt für Hamm-Brücher stimmen

■ Zur Bundespräsidentenwahl fährt auch Elsbeth Rütten / Parteienkalküle zur Herzog-Wahl Präsidentenwahl

„Ich fürchte, es wird mehr als zehn Jahre dauern, bis in Deutschland eine Frau als Bundespräsidentin vorstellbar ist.“ Das sagt Elsbeth Rütten, von Bremen entsandtes parteiloses Mitglied der Bundesversammlung. Eigentlich hätte die für das Überleben Bosniens engagierte Krankenschwester keine Chance gehabt, bei der Wahl des Bundespräsidenten mitzuwirken: Nach dem gültigen Wahlgesetz haben nur die großen Fraktionen eine Chance, VertreterInnen zu benennen. Aber schon vor vier Jahren haben sich Grüne und FDP zusammengetan und gemeinsam Anspruch auf einen Sitz angemeldet.

Rütten findet es „sehr wichtig, daß sich Frau Hamm-Brücher und Jens Reich zur Wahl stellen“, einfach weil es Außenseiter im Parteisystem seien, mutige Persönlichkeiten. Auf jeden Fall will sie aber auch Roman Herzog verhindern - „das weiß ich ganz sicher.“ Wenn nur noch die Wahl zwischen Johannes Rau und Herzog ist, dann will sie sich doch für Rau entscheiden.

Die durch die Bremer FDP legitimierten Stimmen heben sich damit auf: Manfred Richter, der Bundestagsabgeordnete, will koalitiontreu für Herzog stimmen. Zwar besteht bei der FDP, wie der Bremer Geschäftsführer Neubrander es ausdrückt, ein „Nord-Süd-Gefälle“, die Kieler Liberalen wollen zum Beispiel Herzog nicht ihre Stimme geben; der Bremerhavener FDP-Mann ist aber zu sehr in die Bonner Koalitionsgefüge eingebunden als daß er sich hier gegen den Konservativen Herzog entscheiden könnte.

Der FDP-Politiker Jäger war vor fünf Jahren auf dem gemeinsamen Grüne-FDP-Ticket zur Präsidentenkür nach Berlin gefahren und hatte Weizsäcker mitgewählt: „Das ist ja auch leicht gewesen“, sagt er heute rückblickend. Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl, würde eine Entscheidung der FDP für Rau mißverstanden, die FDP müsse deshalb den von der CDU präsentierten Kandidaten mitwählen. Weizsäcker habe, so erinnert er die Herzog-Kritiker, sich auch anfangs gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ausgesprochen und seine Position im Amt dann angepaßt.

Herzog werden nicht nur FDP-Stimmen aus dem Norden fehlen. Im Gegensatz zu den Bremer CDU-Vertretern gibt es in Nordrhein-Westfalen ein gutes Argument für die Anhänger der Bonner Koalition, Rau zu wählen: Der Mann ist kurzfristig nur so wegzukriegen aus der Düsseldorfer Staatskanzlei. Nicht nur Möllemann, auch CDU-Kreise rechnen damit, daß die SPD ohne Rau an der Ruhr deutlich absacken und auf jeden Fall die absolute Mehrheit verlieren würde.

Auch aus den neuen Bundesländern könnte es CDU-Stimmen gegen Herzog geben: Erstens weil die westdeutsche CDU den Ost-Kandidaten Heitmann fallen gelassen hat und zweitens weil Rau menschlich wärmer, also sympathischer wirkt. Die FDP-Vertreter aus den Ländern haben es leichter, das offen zu sagen. Sachsen-Anhalts FDP-Landeschef Peter Kunert hat die Vertreter seiner Partei aufgefordert, für Rau zu stimmen. Am Montag müssen sich alle bekennen: Die 1.324 Mitglieder der Bundesversammlung werden bei jedem Wahlgang zur Bestimmung des neuen Bundespräsidenten am Pfingstmontag namentlich zur Wahlurne gebeten.

K.W.