Oder mal 'ne Anzeige?

Kunst machen wollen reicht nicht. Off-TheatermacherInnen müssen anfangen, pragmatisch zu denken. Von Finanzierungssorgen berichtet  ■ Miriam Hoffmeyer

Werbespots live zu spielen war in letzter Zeit sicher die originellste Idee zur Finanzierung einer Off- Theater-Produktion. Mitten in Tschechows „Bär“ kamen die Darsteller plötzlich mit einer Packung „Gauloises“ auf die Bühne. BAT Deutschland spendierte für den witzigen Spot einige tausend Mark. Die Gruppe „Barriere“ hatte eigentlich noch auf weitere Aufträge gehofft. Aber die meisten angeschriebenen Unternehmen reagierten zurückhaltend, und Christoph von Brockhusen, ihr Verhandlungspartner bei BAT, stellte schon vor der Premiere klar: „Ich sehe das als einmaliges Projekt.“

Sponsoren zu finden ist für freie Theatergruppen extrem schwer. Die Berliner Agentur „Time Code“, die Kultursponsoring vermittelt, hat es seit ihrer Gründung vor fast zehn Jahren nur achtmal geschafft, einen Sponsor für ein Off-Theaterstück zu finden. „Bei solchen Theatern ist die Zielgruppe eben sehr klein“, erklärt Christian Meyer von „Time Code“. Und gerade unbekannte, junge Gruppen hätten auf diesem Markt kaum eine Chance. Zur Zeit sei Sponsoring wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage noch schwerer zu bekommen als sonst, meint der Leiter des Stükke-Theaters, Holger Steudemann: „Sponsoring gehört zu denjenigen Etats von Unternehmen, die im Moment teilweise eingefroren sind.“

Auch die öffentlichen Gelder für freie Theatergruppen sind knapper geworden. Von der für 1994 bewilligten Summe von etwa 10,7 Millionen Mark wurden 1,2 Millionen wieder abgezogen. Diese Kürzungen im Rahmen des Nachtragshaushalts betreffen – wie schon 1993 – die Optionsförderung, weil diese teurer ist als die Spielstätten- und die Einzelprojektförderung. Sie läuft über drei Jahre und soll einzelnen Gruppen eine kontinuierliche Entwicklung garantieren. „Uns hat man eine fünfprozentige Kürzung angekündigt – das heißt, daß wir die geplante Händel-Oper im Herbst ausfallen lassen und jetzt völlig hektisch was Neues suchen müssen“, klagt Jürgen Maier von der Neuköllner Oper, die ursprünglich 450.000 Mark vom Senat erhalten sollte. „Damit wird die Optionsförderung ad absurdum geführt.“ Holger Steudemann befürchtet bereits das Aus für das erst vor einem Jahr gegründete „Stükke“, das sich auf Uraufführungen angloamerikanischer Autoren spezialisiert hat. Die Kürzungen bei der Optionsförderung schaden der Berliner Theaterlandschaft vor allem deshalb, weil sie Theater mit einem klaren und erfolgversprechenden Konzept treffen.

Die Finanznöte kleiner Gruppen, die häufig aus Laien bestehen, spielen sich in einem wesentlich bescheideneren finanziellen Rahmen ab. Die Inszenierungen – die natürlich nicht immer förderungswürdig sind – werden durch ehrenamtliche Arbeit, Mieteinsparungen beispielsweise durch kostenlose Nutzung der zentralen Spielstätten, und durch Zuschüsse der Bezirke finanziert, die freilich auch nicht gerade üppig ausfallen. „Daß von den Bezirken schön Kohle dazugegeben wird, ist ein Gerücht“, sagt Silke Fischer vom Kreuzberger Kulturamt. „Unser Etat ist in diesem Jahr um 50.000 Mark gekürzt worden und steht in keinem Verhältnis zu dem, was notwendig ist. Wir können eine Inszenierung höchstens mit 500 Mark unterstützen.“ Als einziger Bezirk hat Mitte in diesem Jahr einen größeren Kulturetat als 1993 und kann Off- Theater deshalb großzügiger bezuschussen.

Gerade kleine Gruppen – so Gerd Hunger von „Spott e.V.“, einer unabhängigen Beratungseinrichtung für Off-Theater – könnten ihre Einnahmen auf relativ einfache Weise steigern. „Viele kommen zum Beispiel nicht darauf, das Programmheft durch Anzeigen zu finanzieren“, erzählt Hunger. „Die Leute hoffen immer nur auf den Antrag beim Senat und den großen Sponsor und denken, sie kriegen eine halbe Million und werden der Regisseur des Jahres. Was wirklich möglich ist, darüber denken die gar nicht nach.“

Trotz der schlechten Finanzlage hat sich die Zahl der freien Gruppen in Berlin bisher jedenfalls nicht verringert. Nach Angaben der Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten ist sie in den letzten Jahren sogar gestiegen. Dabei muß man allerdings berücksichtigen, daß viele Gruppen sich sehr kurzfristig gründen und wieder auflösen. Gerd Hunger schätzt den Bestand zur Zeit auf etwa 400 Gruppen, davon „100 bis 150, die zum harten Kern gehören“.

Eine mögliche Erklärung für die nach wie vor große Zahl freier Gruppen sind die schlechten Aussichten für Schauspieler, ein Engagement an einer staatlichen Bühne zu bekommen. Im Westteil Berlins waren im September letzten Jahres 668 Schauspieler arbeitslos gemeldet. Ein Produkt dieser Situation ist die vor kurzem gegründete „edel frauen bühne“, ein Ensemble aus fünfzehn vorher arbeitslosen Schauspielerinnen. Bei der sozialen Künstlerförderung des Landes Berlin, die hauptberufliche Künstler mit geringem Einkommen für eigene Produktionen engagiert, gibt es zur Zeit etwa doppelt so viele Bewerber wie Stellen. „Und das werden noch mehr werden, denn eine Menge abgewickelter Schauspieler aus dem Osten wurden erst mal in ABM-Stellen aufgefangen“, meint der Leiter der sozialen Künstlerförderung, Wilfried Langschied. „Der Höhepunkt ist noch nicht erreicht.“